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Kleines Bauteil mit grosser Verantwortung

Das heutige Stromnetz ist nicht bereit für die vielen Photovoltaikanlagen, die in den nächsten Jahrzehnten gebaut werden, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen. Der Fokus der Energieforschung liegt dabei auf einem kleinen Bauteil: den Transformatoren, welche zwischen verschieden hohen Spannungen umschalten. Eine effizientere, elektronische Version dieses Bauteils basiert auf dem neuartigen Material Siliziumkarbid.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «SiC-Festkörpertransformator». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «SwiSS' Halbleiterbasierter SiC-Trafo».
In Trafostationen sorgen Transformatoren dafür, elektrischen Strom von einer Spannung auf eine andere umzuschalten.
In Trafostationen sorgen Transformatoren dafür, elektrischen Strom von einer Spannung auf eine andere umzuschalten. Wikimedia Commons
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Durch die vielen Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher wird das Schweizer Stromnetz bald vor völlig neue Herausforderungen gestellt.
  • Anstatt dass wenige grosse Kraftwerke den Strom ins Netz einspeisen, wird potenziell jedes Haus zu einem Energieproduzenten.
  • Das erfordert «intelligente» Stromnetze mit elektronischen Transformatoren auf der Basis effizienter leistungselektronischer Bauteile.
  • Die Lösung für dieses Problem könnte das erst seit wenigen Jahren erforschte Halbleitermaterial Siliziumkarbid sein.

Über eine Viertelmillion Kilometer lang ist das Schweizer Stromnetz – mit den Leitungen könnte man die Erde mehr als sechsmal umrunden. Auf dem Weg durch das Netz durchläuft der elektrische Strom mehrmals Transformatoren. Aus den 380 000 Volt, mit denen der Strom von Kraftwerken oder aus ausländischen Importen ins Schweizer Netz gelangt, werden so schrittweise weniger, bis die Steckdosen in unseren Häusern schlussendlich eine mehr als 1000-fach tiefere Spannung von 230 Volt führen.

Dieses System mit wenigen zentralen und grossen Einspeisern und vielen kleinen Verbrauchern steht mit der Energiestrategie 2050 allerdings vor grossen Herausforderungen. Denn die Transformatoren sind nicht dafür ausgelegt, dass plötzlich jeder Verbraucher auch gleichzeitig ein potenzieller kleiner Einspeiser sein kann. Der geplante massive Ausbau der Photovoltaik in der Schweiz wird eine neue Art von Transformatoren nötig machen, die auch in der Lage sind, das Netz zu stabilisieren.

Mit einem neuen Material zum Erfolg

Bis heute bestehen viele Transformatoren des Schweizer Stromnetzes noch aus Kupfer und Eisen. Mittels verschieden stark gewickelter Spulen wird eine hohe Spannung in eine tiefere transformiert – oder umgekehrt. Mit dieser traditionellen Bauart ist es aber nicht möglich, den elektrischen Strom, den die vielen Photovoltaik-Anlagen besonders über die sonnige Mittagszeit produzieren, ins Netz einzuspeisen, ohne die Stabilität des Netztes zu gefährden. Auch der vermehrte Einsatz von Batteriespeichern in Haushalten oder von Ladestationen für Elektroautos wird die Dynamik im Stromnetz komplett verändern.

Mit herkömmlichen Transformatoren wäre die Netzstabilität in Zukunft nicht gewährleistet. Andererseits wären sie auch schlecht vor Überlastung geschützt. Es braucht eine neue Technologie. Im Prinzip ist diese bereits vorhanden. Ähnlich wie in den kleinen Ladegeräten von Haushaltsgeräten, könnten auch im Stromnetz anstatt Transformatoren mit Spulen aus Kupfer und Eisen sogenannte «elektronische» Transformatoren eingesetzt werden. Heutige Leistungselektronik-Bauteile auf Basis des Halbleiters Silizium sind geeignet, bei niedrigen und mittleren Spannungen und hohen Schaltfrequenzen zu arbeiten. Doch Berechnungen und Experimente zeigen, dass diese Bauelemente auf Basis von Silizium im im Hoch- und Mittelspannungs-Stromnetz sehr ineffizient arbeiten würden. In den Halbleitern käme es zu erheblichen Energieverlusten.

Ziel: Weniger Verluste, höhere Effizienz

Aber ein Ausweg ist in Sicht: Das Material Siliziumkarbid könnte sich für den Bau von modernen Hochleistungstransformatoren perfekt eignen – zumindest theoretisch. Denn die chemische Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff ist erst seit wenigen Jahren in genügender Qualität für die Forschung verfügbar. Sie besitzt Halbleitereigenschaften, die viel besser als andere Materialien für den Einsatz im Stromnetz geeignet sind. Beispielsweise fallen die Leistungsverluste beim Umschalten der Spannungen um bis zu zwei Grössenordnungen geringer aus als beim klassisch eingesetzten Silizium.

Da Siliziumkarbid aber noch so neu, ist das Design geeigneter Strukturen für die Bauteile erst nur für relativ kleine Leistungen erforscht, und nicht für Bauelemente mit Schaltleistungen im Megawattbereich, wie das im realen Stromnetz der Fall sein wird.

Ein interdisziplinäres Team um Jens Gobrecht am Paul-Scherrer-Institut hat daher im Rahmen des Verbundprojektes «Swiss Transformer» seine Aufmerksamkeit auf die Optimierung genau dieser Leistung gerichtet: Dort, wo das Siliziumkarbid mit der Oxidschicht der Leistungselektronik-Bauteile in Kontakt kommt. In Computer-Experimenten simulierte das Team, wie sich verschiedene Bauweisen unter hohen Schaltleistungen verhalten werden.

Zusätzlich zu diesen Modellierungen untersuchte das Team auch die Beschaffenheit der Oberfläche von Siliziumkarbid-basierten Bauteilen ganz genau. Da diese neuartigen Transformatoren noch nicht industriell hergestellt werden, ist es wichtig, potenzielle Probleme in der seriellen Fertigung vorauszusehen, zu verstehen und zu lösen. Eine Erkenntnis ist dabei, dass die Oberfläche des Siliziumkarbids andere Eigenschaften aufweist als herkömmliche Materialien, was den Fertigungsprozess beeinflusst: Während bei der Oxidation von Silizium eine sehr glatte Grenzfläche zwischen dem Silizium und dem Oxid entsteht, ist diese bei der Oxidation von Siliziumkarbid sehr rau. Das wirkt sich nachteilig auf den Widerstand des Bauelementes im eingeschalteten Zustand aus. Durch die Nutzung von Synchrotronstrahlung am PSI arbeiteten die Forschenden daran, die Entstehung dieser Rauigkeiten im Nanometerbereich wissenschaftlich zu klären. Erst dadurch wird es möglich, den Herstellungsprozess so abzuändern, dass die raue Oberfläche gar nicht erst entsteht.

Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag an das Verbundprojekt «Swiss Transformer». Erst durch effiziente und den Belastungen des Netzes gewachsene Bauteile wird das Smart Grid der Zukunft – und damit das Erreichen der hoch gesteckten Ziele der Energiestrategie 2050 – möglich.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Jens Gobrecht

Laboratory for Micro and Nanotechnology
Paul Scherrer Institut
Forschungsstrasse 111
5232 Villigen PSI

+41 56 310 25 29
jens.gobrecht@psi.ch

Jens Gobrecht

Projektleiter

Massimo Camarda

Hans Sigg

Judith Wörle

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.