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Neuartige Stromspeicher sind besonders effizient dank eines speziellen Materials

Stromspeicherung über eine neuartige Batterie aus Druckluft funktioniert – aber nur, wenn dabei keine Wärme verloren geht. Mit einem speziellen Material lässt sich diese besonders gut einfangen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Neue Materialien für Druckluftspeicher». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Stromspeicherung über adiabatische Luftkompression».
Mit diesem Latentwärmespeicher kann man Wärme einfangen – und so effizienter Strom speichern.
Mit diesem Latentwärmespeicher kann man Wärme einfangen – und so effizienter Strom speichern. Viola Becattini
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Strom aus erneuerbaren Energiequellen kann man speichern, indem man mit ihm Druckluft herstellt. Diese kann später wieder zur Stromerzeugung genutzt werden.
  • Damit dies effizient ist, wird die Wärme, die bei der Kompression entsteht, gespeichert und dann zurückgewonnen.
  • Die Materialien der Wärmespeicher haben Forschende so optimiert, dass sie viele Zyklen ohne Degradation überstehen und dabei die Temperatur der Druckluft konstant halten – nur so kann mit ihnen zuverlässig Strom erzeugt werden.

An wolkenlosen Sommertagen laufen Solaranlagen zur Hochform auf. Dumm nur, dass dann die meisten von uns eher in der Badi sind, als zu Hause beim Kochen, Waschen oder anderen Dingen, die Strom brauchen. Beleuchtung und Heizung sind auch nicht nötig – wohin also mit dem Solarstrom? Eine Möglichkeit ist, ihn zu speichern in einem Druckluftspeicher mit Wärmerückgewinnung. Dabei dient überschüssiger Strom aus Sonnenenergie oder aus anderen erneuerbaren Energiequellen dazu, Luft unterirdisch zusammenzupressen, zum Beispiel in ausgedienten Stollen. Wenn der Strombedarf wieder steigt, wird die Druckluft aus dem Speicher abgelassen und treibt Turbinen an. Dabei entsteht erneut Strom.

Solche Druckspeicherkraftwerke existieren bereits in Deutschland und den USA. Allerdings haben sie im Vergleich zu Pumpspeicherwerken – der weltweit verbreitetsten Methode zur Stromspeicherung – einen grossen Nachteil: Sie sind sehr ineffizient. Denn bei der Verdichtung der Luft entsteht Wärme ¬– mit Temperaturen um die 500 Grad Celsius – ohne dass sie genutzt würde. Wenn sich die Luft bei der erneuten Stromproduktion dann wieder ausdehnt, kühlt sie ab. Das beeinträchtigt die Leistung der Turbinen und die Stromerzeugung. Die Luft muss also zuerst aufgeheizt werden und dafür braucht es auch wieder Energie, die meist aus fossilen Brennstoffen kommt. Das ist weder energetisch effizient noch besonders umweltfreundlich.

Deswegen haben Forschende der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich, der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), und dem Paul Scherrer Institut (PSI) eine Pilot-Anlage eines Druckluftspeichers gebaut, bei dem die Wärme nicht ungenutzt entweicht, sondern zurückgewonnen wird. So konnten die Wissenschaftler die Effizienz eines solchen Speichers von 45 bis 50 Prozent auf 65 bis 75 Prozent steigern. Die Pilot-Anlage steht in einem ausgedienten Stollen im Tessin. Hier wird Luft in den Berg gepresst und von fünf Meter dicken Betonwänden und einer Stahltür abgedichtet. Dass es dabei keine Lecks gibt, konnten die Forschenden des Verbundprojektes «Druckluftspeicher mit Wärmerückgewinnung» zeigen.

Wärme «im Verborgenen» speichern

Die Wärmerückgewinnung funktioniert über einen Wärmespeicher, der aus zwei Komponenten besteht: Einem sogenannten fühlbaren Wärmespeicher und einem Latentwärmespeicher. Ersterer ist eine Betonwanne, die mit Steinen gefüllt ist. Diese werden durch die heisse Luft erwärmt: Deswegen heisst der Speicher «fühlbar», weil man die Wärme, die man dem Speichermedium zuführt, wahrnehmen kann. Es ist wie bei Wasser, das man zum Kochen bringt – je mehr Wärmeenergie man zuführt, desto heisser wird es. Bis zu dem Punkt an dem das Wasser seinen Aggregatzustand ändert – von flüssig zu gasförmig. Wasserdampf enthält die zugeführte Wärmeenergie, wird aber nicht mehr heisser. So kann man Wärme nicht fühlbar – als Erhitzung – sondern latent, also «im Verborgenen» – in der Änderung des Aggregatzustandes – speichern.

Spezielle Legierung wechselt Aggregatzustand

So sieht ein mit Phasenwechselmaterial gefülltes Stahlrohr im Labor aus.
So sieht ein mit Phasenwechselmaterial gefülltes Stahlrohr im Labor aus. Sophia Haussener

Der in der Pilotanlage verwendete Latentwärmespeicher nutzt allerdings kein Wasser, sondern ein so genanntes Phasenwechselmaterial, das seinen Aggregatzustand von fest zu flüssig wechselt bei über 500 Grad Celsius. Also etwa der Temperatur, die bei der Verdichtung der Luft im Druckluftspeicher entsteht. Bei dem Material handelt es sich um eine Aluminium-Silizium-Legierung, die in gestapelte Stahlröhren abgefüllt ist. Diese sind 73 Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von etwa drei Zentimetern. Über diese Röhren strömt die heisse oder kalte Luft im Druckluftspeicher. Der Vorteil des Latentwärmespeichers besteht darin, dass er im Gegensatz zum fühlbaren Wärmespeicher eine konstante Temperatur erzeugt. Das ist wichtig, damit auch die Stromerzeugung durch die nachgeschaltete Turbine konstant und zuverlässig ist.

Wie sich das Phasenwechselmaterial in den Stahlröhren während vieler Erwärmungs- und Erkaltungszyklen verhält, haben Sophia Haussener und Selmar Binder vom Laboratory of Renewable Energy Science and Engineering der EPFL genauer untersucht.

Schutz vor Korosion

Das Phasenwechselmaterial der Latentwärmespeichers im Querschnitt mit (links) und ohne (rechts) schützende Schicht aus Bornitrid-Keramik.
Das Phasenwechselmaterial der Latentwärmespeichers im Querschnitt mit (links) und ohne (rechts) schützende Schicht aus Bornitrid-Keramik. Sophia Haussener

Die Forschenden setzten die Stahlröhren den extremen Temperaturschwankungen eines Druckluftspeichers aus, schnitten diese danach auf und untersuchten sie unter anderem mit mikroskopischen Methoden. Dabei stellten sie fest, dass die Stahl-Ummantelung, die die Aluminium-Silizium-Legierung einfasst, korrodiert. Das Eisen des Stahls und das Aluminium des Phasenwechselmaterials reagieren bei der enormen Hitze miteinander und das Material nutzt sich ab. Dies führt dazu, dass nach einem Einstz von über 100 Tagen unter zyklischem Laden und Entladen 40-50 Prozent der Kapazität des Latentwärmespeichers verloren gehen. Um das zu verhindern, kleideten die Forschenden die Stahlröhren mit Bornitrid-Keramik aus. Diese bildete einen dünnen Schutzfilm an der Grenzfläche zur Aluminium-Silizium-Legierung.

Im Laborexperiment und in der Tessiner Pilot-Anlage testeten Haussener und ihre Mitarbeiter die weiterentwickelten Stahlröhren. Tatsächlich konnte die Keramik-Schutzschicht die Abnutzungserscheinungen des Speichermaterials weitestgehend verhindern. Das ist wichtig, denn andernfalls müssten diese Materialien häufig ausgetauscht werden. Das ist nicht nur ein Kostenpunkt, sondern auch ein Umweltproblem. In einem weiteren Verbundprojekt wurde ermittelt, das ein Grossteil der negativen Umweltauswirkungen des Wärmespeichers im Druckluftspeicher auf das Phasenwechselmaterial entfallen. Denn hierfür müssen natürliche Erz-Vorkommen abgebaut und verarbeitet werden. Je langlebiger also die Komponenten, desto umweltfreundlicher wird der Druckluftspeicher.

Kontakt und Team

Prof. Sophia Haussener

Laboratory of Renewable Energy Science and Engineering LRESE
EPF Lausanne
Station 9
MED 0 2925 (Gebäude MED)
1015 Lausanne

+41 21 693 38 78
sophia.haussener@epfl.ch

Sophia Haussener

Projektleiterin

Selmar Binder

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