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Klimaschonend fliegen – mit Stroh und Buchenholz

Die Verminderung von CO2-Emissionen ist ein globales Ziel. Um es zu erreichen, ist die erhöhte Nutzung von erneuerbaren Treibstoffen aus Biomasse unumgänglich. Dieses Forschungsprojekt zeigt, wie sie effizient eingesetzt und auch kommerzialisiert werden kann.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Karbonsäure für Biotreibstoffe». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Biochemisch-katalytisch hergestellte Biotreibstoffe».
Aus Stroh lässt sich Treibstoff für Flugzeuge und den Schwerverkehr herstellen. Der Prozess jedoch ist aufwendig – und kostspielig.
Aus Stroh lässt sich Treibstoff für Flugzeuge und den Schwerverkehr herstellen. Der Prozess jedoch ist aufwendig – und kostspielig. Pixabay/Peggychoucair
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Aus Biomasse wie zum Beispiel Stroh oder Buchenholz kann CO2-neutraler Treibstoff für Flugturbinen und den Schwerverkehr hergestellt werden.
  • Dies durch Bioraffinieren und Bioreaktoren, die diesen aufwendigen Umwandlungsprozess vollziehen.
  • Die erzielten Ergebnisse seien derzeit aber noch weit von einer industriellen Umsetzung entfernt, sagt ein Industriebeirat, der das Projekt begleitet hat.

Der grösste Teil der weltweiten vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen wird bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas freigesetzt. Damit die Erderwärmung unter zwei Grad bleibt, müssen wir zwangsläufig die Nutzung fossiler Treibstoffe reduzieren. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese eines Tages ausgehen werden.

Es ist also wichtig, erneuerbare Rohstoffquellen zu erschliessen – und diese kurz- und mittelfristig auch zu kommerzialisieren. Denn eines ist klar: Ohne flüssige Kraftstoffe mit hoher Energiedichte wird es auch künftig nicht gehen. Während der Individualverkehr und viele andere Sektoren, die derzeit auf fossile Energie angewiesen sind, bereits jetzt oder zumindest in absehbarerer Zeit elektrifiziert werden, wird der Luft- und Schwerlastverkehr weiterhin stark auf flüssige Treibstoffe angewiesen sein. So schätzt Rolf Henke, Vorstandsmitglied im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dass frühestens in zehn Jahren die ersten kommerziellen E-Flugzeuge abheben können – jedoch mit maximal zwanzig Passagieren an Bord. Auch Elektro-LKWs werden erst in Kleinserien und von wenigen Herstellern in Mittelserien produziert. Zehn davon werden in Deutschland zurzeit in der Praxis getestet.

Darum werden in aktuellen Forschungsarbeiten Konzepte für sogenannte Bioraffinerien entwickelt, die die Umwandlung von lignozellulosehaltiger Biomasse – wie zum Beispiel Stroh oder Buchenholz – in Treibstoffe und Chemikalien ermöglichen. Als Lignozellulose wird die Zellwand verholzter Pflanzen bezeichnet. Diese Art der Biomasse ist der auf der Erde heute schon am häufigsten eingesetzte Rohstoff für die Herstellung von Biokraftstoffen, vor allem von Bioethanol. Ebenso ist diese Art von Biomasse die einzige nachhaltige Ressource bezüglich Kosten, Verfügbarkeit und Menge, die überhaupt in erneuerbare Rohstoffe wie Chemikalien oder Kraftstoffe umgewandelt werden kann.

Wie Buchenholz Flugzeuge antreiben könnte

Dieses Forschungsprojekt untersuchte, wie lignozellulosehaltige Biomasse in Bioraffinerien nachhaltig und effizient in Treibstoff verarbeitet werden kann. Eine doppelte Herausforderung: Zum einen ist lignozellulosehaltige Biomasse eine knappe Ressource, zum anderen ist es nur durch einen ausgeklügelten Prozess möglich, daraus Kraftstoff für Flugturbinen und Dieselmotoren herzustellen.

Um diese Aufgabe zu lösen, haben die Forschenden dieses Projekts gemeinsam mit Spezialisten für Katalyse und Nachhaltigkeit in Partnerprojekten verschiedene Verfahren evaluiert und eine biologische Umwandlungsmethode entwickelt, bei welcher die Biomasse in einem ersten vorwiegend biologischen Schritt zu einem Zwischenprodukt – Milchsäure sowie verschiedene Carbonsäuren wie die Essigsäure – und dann in einem chemisch-katalytischen Schritt zu diesel- und kerosinartigen Stoffgemischen weiterverarbeitet werden kann.

Das geht so: Zuerst wird die Biomasse – in diesem Fall Buchenholz – mit Dampf vorbehandelt. Ähnlich wie in einem Dampfkochtopf, wenn man Kartoffeln kocht. So wie die Kartoffeln sprengt der erhöhte Druck auch das Buchenholz auf. Ist die Biomasse einmal aufgesprengt und zerfasert, wird sie von Enzymen in Zucker aufgespalten. Danach wandeln Hefen den Zucker in Alkohol um, und durch Destillierung wird fast 100 Prozent reiner Alkohol gewonnen. Aus Buchenholz wurde Bioethanol, das als Treibstoff für Flugturbinen verwendet werden kann.

Möglichst macht dieser hier stark vereinfacht dargestellte Prozess der sogenannte Multispezies-Biofilm-Membran (MBM)-Reaktor. Diesen Reaktor hat die Forschungsgruppe bereits zu einem früheren Zeitpunkt entwickelt.

Einsatz in der Industrie noch weit weg

Im aktuellen Projekt haben die Wissenschaftler mit dem Bioreaktor eine Lösung für die gemeinschaftliche Kultivierung von Mikroorganismen entwickelt, obwohl diese teils unterschiedliche Anforderungen an ihre Lebensbedingungen haben. Also beispielsweise an den Sauerstoffgehalt, den pH-Wert, die Temperatur und das Licht. Das Geheimnis, wie derart verschiedene Mikroorganismen gemeinsam kultiviert werden können liegt in der Bildung von sogenannten Biofilmen – Schleimschichten, in denen die Mikroorganismen gemeinsam eingebettet sind. Erst diese Entwicklung hat es den Forschenden erlaubt, lignozellulosehaltige Biomasse wie Buchenholz vollständig biochemisch umzuwandeln – und das in einem einzigen Reaktor.

Jedoch sind die entwickelten Prozesse noch weit von einer industriellen Anwendung entfernt. Zu diesem Schluss kommt ein von den Forschenden organisierter Industriebeirat, der das Projekt begleitet und unterstützt hat. Es ist also unrealistisch, dass Flugzeuge und der Schwerverkehr schon bald mit Kerosin und Diesel aus Biomasse angetrieben werden. Hingegen sieht die chemische Industrie bei der Herstellung von Essigsäure – eine wichtige Chemikalie zur Herstellung von Kunststoff – ein grosses Potenzial.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Michael Hans-Peter Studer

Berner Fachhochschule
Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften
Abteilung Agronomie
Länggasse 85
3052 Zollikofen

+41 31 910 29 36
michael.studer1@bfh.ch

Michael Hans-Peter Studer

Xiros Charilaos

Shahab Robert

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 17.12.2018 ab.