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Carsharing hilft, Energie zu sparen – aber nur wenn die Dienste reguliert sind

Carsharing-Dienste gibt es in der Schweiz bereits seit vielen Jahren und sie werden vor allem in urbanen Regionen auch rege genutzt. Meist haben die Nutzer kein eigenes Auto und greifen auf solche Angebote zurück, wenn – etwa beim Möbelkauf – ein Auto unerlässlich ist. Wie gross das Energiesparpotenzial derart geteilter Autos oder Velos in der Schweiz ist, untersuchte dieses Projekt.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Teilen ist Sparen».
Dichter Verkehr auf der Universitätsstrasse in Zürich: Geteilte Fahrzeuge entlasten nicht nur die Strassen, sondern helfen auch, Treibhausgasemissionen zu senken.
Dichter Verkehr auf der Universitätsstrasse in Zürich: Geteilte Fahrzeuge entlasten nicht nur die Strassen, sondern helfen auch, Treibhausgasemissionen zu senken. iStock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Korrekt eingesetzt, können geteilte Fahrzeuge der Schweiz helfen, Treibhausgasemissionen zu senken.
  • Denn im Grossraum Zürich wären nur gerade 60'000 geteilte Autos nötig, um den gesamten mobilisierten Individualverkehr (MIV) abzudecken – heute sind 250'000 Privatautos angemeldet.
  • Sollen die Dienste von mehr Menschen genutzt werden, wird es jedoch zwingend nötig sein, die Preise festzulegen oder auch durch Mineralöltaxen die Nutzung eines Privatautos unattraktiv zu machen.

Wenn sich in den Stosszeiten die Autos auf den Schweizer Strassen drängen, sitzt in den meisten Wagen nur eine Person. Und wenn die Autos nicht gerade im dichten Verkehr stecken, dann steht ein grosser Teil der gegenwärtig 4,5 Millionen (im Jahr 2017) in der Schweiz zugelassenen Autos bloss herum. Das ist nicht effizient. Wesentlich wirtschaftlicher wäre es, wenn ein Fahrzeug von mehreren Personen genutzt würde, um so das Verhältnis von Betriebszeit zu Ruhezeit zu verbessern.

Bereits gibt es in der Schweiz diverse Dienste, welche versuchen, den Strassenverkehr zu entlasten und energieeffizienter zu gestalten. Sie setzen darauf, mit dem bestehenden, gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz zusammen zu funktionieren. Die Idee ist, in Kombination von öffentlichen und individuellen Verkehrsmitteln ein Transportsystem anzubieten, das so gut funktioniert, dass Privatpersonen im Optimalfall kein Bedürfnis nach einem eigenen Auto haben.

Ob solche geteilten Fahrzeuge in der Schweizer Mobilitätsstrategie zu mehr Energieeffizienz führen und wie solche Systeme im Idealfall aussehen, wollten Forschende unter der Leitung von Kay Axhausen, Professor am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich, herausfinden. Ihr Fazit: Geteilte Mobilitätssysteme können durchaus dazu beitragen, Energie einzusparen. Es gilt jedoch zu beachten, dass eine preisliche Regulierung dieser Dienste wohl unerlässlich ist.

Marktpotenzial abschätzen

Verschiedene Systeme gemeinsam genutzter Fahrzeuge

Bei den geteilten Fahrzeugen gibt es verschiedene Modelle, nach denen sie genutzt werden können.

Carsharing standortgebunden: Dies sind Angebote, bei denen man ein Auto oder Velo an einem Standplatz bezieht, es benutzt und dann wieder an den Ursprungsort zurückbringt. Solche Dienste sind oft für den Anbieter einfach zu handhaben, da keine Neuverteilung der Fahrzeuge stattfinden muss.

Carsharing free-floating: Hier wird ein Velo oder Auto irgendwo innerhalb des vorgesehenen Nutzungsbereichs in der Schweiz abgeholt, genutzt und wo auch immer, innerhalb des Nutzungsbereichs, wieder abgestellt. Dort kann es dann von einem nächsten Nutzer abgeholt werden oder vom Anbieter an einen Standort transportiert werden, wo der Bedarf gross ist.

Ridesharing: Dies sind Dienste, bei denen jemand eine Reise von A nach B anbietet. Andere Nutzer können sich dann einen Sitz bei diesem Lenker erkaufen. So werden Fahrzeuge besser besetzt und eine Reise befördert mehrere Passagiere aufs Mal statt nur den Fahrer.

Um abschätzen zu können, wie sich die Angebote zur geteilten Mobilität in das Schweizer Verkehrssystem integrieren lassen und wie effektiv sie Energie sparen, nutzten die Forschenden ein Computersimulationsprogramm namens MATSim. Die Simulationen ermöglichen es, verschiedene Szenarien ohne kostspielige Feldversuche durchzuspielen. Für die Szenarien haben sich Axhausen und sein Team auf urbane Gebiete beschränkt, in diesem Fall auf den Grossraum Zürich.

Dies aus zwei Gründen: Erstens ist es dort einfacher, geteilte Mobilitätssysteme anzubieten, da die Dichte an potenziellen Nutzern höher ist. Und zweitens existieren für den Raum Zürich bereits Zahlen, mit denen man das Simulationsmodell füttern konnte. Für ihre Studien haben die Forschenden Zahlen vom Carsharing-Anbieter «Mobility» und Bikesharing-Anbieter «Smide» erhalten.

Doch wie viele Autos würde es brauchen, um die gesamte Verkehrsnachfrage des Grossraums Zürich befriedigen zu können? Da es dafür bis anhin keine Annahmen gab, war dies die erste Simulation, die die Forschenden durchführten. Die Resultate zeigen, dass etwa 60'000 Autos im free-floating Schema ausreichen sollten, um den gesamten Reisebedarf des Grossraums Zürich abzudecken. Heute sind im Raum Zürich etwa 250'000 Autos privat unterwegs – viermal mehr, als es bräuchte. Wobei in der Berechnung als Rahmenbedingung galt, dass ein abgestelltes Auto in jedem Fall in unter 15 Minuten Gehzeit erreichbar war und 60 Prozent der Gehzeiten sogar unter fünf Minuten lagen. Sässe in den theoretisch benötigten 60'000 Autos auch noch mehr als nur eine Person pro Fahrt, ergäben sich weitere Einsparungen von Fahrten.

Als Ergänzung zur SBB

Wenn es um den Personentransport geht, ist die Schweiz ein Sonderfall. Denn ihr öffentliches Verkehrsnetz ist derart gut ausgebaut, dass so gut wie jeder Ort innerhalb einer vernünftigen Zeit ohne ein Auto erreicht werden kann. Diesen Umstand hat das Team Axhausen ebenfalls in die Simulationen einbezogen. So wurden die Sharing-Dienste ganz bewusst als eine Ergänzung dieses öffentlichen Verkehrsnetzes simuliert. Das bedeutet für ländlichere Gebiete im Grossraum Zürich, dass mit einem verbesserten Angebot an Sharing-Plattformen mehr Personen die Möglichkeit erhalten, ganz auf ein Privatauto zu verzichten. In diesen Szenarien würden dann zum Beispiel wenig befahrene Buslinien gestrichen und die davon Betroffenen dafür mit free-floating Fahrzeugen eingebunden werden. Von Städtern ist bekannt, dass sie für Distanzen unter fünf Kilometern lieber ein Velo statt ein Mietauto nutzen. Darum sollten dort auch vermehrt Velos angeboten werden.

Abgelegene Bushaltestellen würden nicht mehr bedient, dafür aber Carsharing oder Ridesharing Standorte eingerichtet.
Abgelegene Bushaltestellen würden nicht mehr bedient, dafür aber Carsharing oder Ridesharing Standorte eingerichtet. iStock

Regulierung zwingend nötig

Doch wer trägt die Kosten und wer profitiert von einer Umstellung auf geteilte Mobilitätsdienste? Auch diese Fragen konnten mit Hilfe der Simulationen beleuchtet werden. So fanden die Forschenden heraus, dass – wenn verschiedene Sharing-Plattformen in Konkurrenz zueinander stehen – die Preisentwicklung aus dem Ruder laufen könnte. Will heissen: Weil die Nutzer mangels Alternativen auf einen Sharing-Dienst angewiesen sind, könnten die Anbieter ihre Preise immer weiter ansteigen lassen. Um dies zu verhindern, wird es laut den Forschenden zwingend nötig sein, den Preis künstlich festzulegen.

Auch an einem weiteren Punk können sich Kay Axhausen und sein Team vorstellen, mit politischen Massnahmen einer Umstellung der individuellen Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen: Würde eine Mineralölsteuer den geteilten Fahrzeugen erlassen und bei Privaten erhöht, könnten Privatautobenutzer einen Anreiz sehen, das eigene Auto stehen zu lassen und auch auf geteilte Dienste umzustellen.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Kay W. Axhausen

Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme
ETH Zürich
Stefano-Franscini-Platz 5
HIL F 31.3
8093 Zürich

+41 44 633 39 43
axhausen@ivt.baug.ethz.ch

Kay W. Axhausen

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 08.05.2019 ab.