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Teilen statt Besitzen – Das macht nicht immer Sinn

Nicht alles selber besitzen, sondern Teilen. Das, so könnte man denken, spart Energie und schon die Umwelt. Allerdings stimmt das nur in manchen Fällen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Kollaborativer Konsum: Hype oder Versprechen?».
Verbraucht man wirklich weniger Energie, wenn man ein Auto teilt, statt eines zu besitzen?
Verbraucht man wirklich weniger Energie, wenn man ein Auto teilt, statt eines zu besitzen? Wikimedia Commons/JoachimKohlerBremen
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Wenn Menschen Produkte und Dienstleistungen miteinander teilen, zum Beispiel Autos oder Wohnungen, dann spricht man von kollaborativem Konsum oder Sharing Economy.
  • Man könnte meinen, dass durch das Teilen weniger Energie verbraucht wird. Dies ist aber nicht unbedingt so.
  • Je nach Nutzart des Produkts, der Dienstleistung und Art des Teilens, kann das Teilen auch dazu führen, dass die Menschen mehr Energie verbrauchen, etwa weil sie mit dem ersparten Geld mehr konsumieren und dabei Energie verbrauchen.

Wenn Menschen Fahrgemeinschaften bilden, um zur Arbeit zu pendeln, sparen sie Sprit und dadurch Energie. Ein solcher kollaborativer Konsum – auch «Sharing Economy» genannt – wird dank Online-Plattformen immer einfacher und verbreiteter. Aber bedeutet teilen auch wirklich Energie sparen?

Diese Frage untersuchte das vorliegende Projekt. Ein Expertenteam wählte dabei unter 157 «Sharing»-Produkten zwei aus, die als Beispiel für den Energieverbrauch von kollaborativem Konsum dienen: Carpooling, also das Anbieten und Nutzen von Mitfahrgelegenheiten, und die Übernachtungsplattform Airbnb.

Bei ihrer Untersuchung kamen die Forschenden zu einem überraschenden Ergebnis: Je nachdem, worum es sich handelt und wie damit umgegangen wird, kann der kollaborative Konsum auch dazu führen, dass die Menschen mehr statt weniger Energie verbrauchen. Airbnb etwa führt sowohl bei Gästen als auch Gastgebern gesamtheitlich gesehen zu einem erhöhten Energieverbrauch.

Schlechte Energiebilanz

Das fanden die Wissenschaftler dank einer Umfrage heraus, in der sie potenzielle und tatsächliche Gäste und Anbieter aus der Schweiz befragten. Hier haben 14 Prozent der Bevölkerung Airbnb bereits als Gast benutzt und 2 Prozent waren schon einmal Gastgeber.

Dann haben die Forschenden die Energiebilanz einer Übernachtung mit Airbnb berechnet. Erstaunlicherweise führt die Nutzung von Airbnb dazu, dass pro Übernachtung 28 Megajoule Energie mehr verbraucht werden als ohne die Nutzung der Plattform.

Der Grund dafür: In der Umfrage gaben 7 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie ohne Airbnb ganz und gar auf ihre Reise verzichtet hätten. Das Angebot ist also ein Anreiz dafür, häufiger zu verreisen und damit Energie zu verbrauchen – nicht nur für die Übernachtung, sondern auch für die An- und Abreise.

Diese Grafik stellt den Prozess der Adoption einer neuen Verhaltensweise durch Privatpersonen dar unter Berücksichtigung von Faktoren, welche diesen Prozess beeinfluss können. Dieses Modell war Grundlage für die Erhebung und Analyse der Umfragedaten im Follow-up Projekt (Einführung von Carpooling bei SwissRe).
Diese Grafik stellt den Prozess der Adoption einer neuen Verhaltensweise durch Privatpersonen dar unter Berücksichtigung von Faktoren, welche diesen Prozess beeinfluss können. Dieses Modell war Grundlage für die Erhebung und Analyse der Umfragedaten im Follow-up Projekt (Einführung von Carpooling bei SwissRe). k.A.

Zudem gibt es neben dem direkten Effekt eines Sharing-Angebotes auf den Energieverbrauch auch einen sogenannten indirekten «Rebound»-Effekt – zu Deutsch etwa Rückstoss-Effekt: Denn durch das Angebot sparen sowohl Gast als auch Gastgeber Geld. Dieses Geld nutzen sie dann, um Produkte und Leistungen zu konsumieren, die sie sonst nicht gekauft hätten und die ihrerseits auch wieder Energie und Ressourcen verbrauchen. Weil bei Airbnb viel Geld gespart wird, trägt der Rebound-Effekt dazu bei, dass pro Person und Übernachtung insgesamt ganze 281 Megajoule mehr an Energie verbraucht werden als ohne das Angebot. Pro Jahr sind das 7476 Megajoule pro Person, welche Airbnb nutzt. Das entspricht etwa 40 Prozent des Elektrizitätsverbrauches eines Einpersonenhaushalts.

Carpooling spart Energie

Anders das Carpooling. Hier berechneten die Forschenden, dass Menschen, die ein Auto teilen, im Schnitt 234 Megajoule sparen. Zwar gibt es auch hier den indirekten Rebound-Effekt, allerdings bleibt die Energiebilanz unterm Strich immer noch negativ, das heisst, es wird Energie gespart. Das ist auch dann noch der Fall, wenn die Forschenden einen weiteren, indirekten Effekt des Teilens in Betracht ziehen: den so genannten Spillover-Effekt. Menschen, die einmal begonnen haben zu teilen, sind generell eher geneigt, weitere Sharing-Angebote wahrzunehmen. Weil diese, wie am Beispiel von Airbnb gezeigt, aber auch zu einem Mehrverbrauch an Energie führen können, sorgt der Spillover-Effekt dafür, dass sich die Energiebilanz des Carpooling etwas verschlechtert.

Im Durchschnitt spart man durch Carpooling Angebote 1500 Megajoule an Energie pro Person und Jahr. Das entspricht etwa 8 Prozent des Elektrizitätsverbrauches eines Einpersonenhaushalts.

In der Schweiz machen allerdings nur 2 Prozent der Autofahrer und 3 Prozent der ÖV-Passagiere von Carpooling Gebrauch. Der Grund dafür ist unter anderem das zuverlässige und gut ausgebaute öffentliche Verkehrssystem. So gaben 62 Prozent der Befragten an, dass sie ohne die Carpooling-Option mit dem Zug gefahren wären.

Der Reality-Check

Um herauszufinden, wie man Carpooling in der Schweiz populärer machen und somit generell zum Energiesparen beitragen könnte, führten die Forschenden eine weitere Befragung durch. Sie wollten wissen, welche Faktoren die Befragten zu einer Teilnahme an Carpooling bewegten. Überraschenderweise waren nicht – wie man gemeinhin annimmt – die Geldersparnis oder Faktoren wie Sicherheit und Einfachheit bei der Nutzung ausschlaggebend. Was die Befragten am meisten motivierte, war das Gefühl, dass ihre Bekannten das Angebot auch nutzten, und das Gefühl, sie könnten dadurch etwas für die Umwelt tun.

Bei Airbnb war zwar die Kostenersparnis ein wichtigerer Beweggrund, aber auch hier richteten sich die Befragten eher nach dem Verhalten ihrer Mitmenschen.

Um die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt in der Realität zu testen, führten die Wissenschaftler einen Versuch im Unternehmen SwissRe durch. Die Firma implementierte eine Carpooling-App, die es Angestellten ermöglichen sollte, ein Auto zu teilen. Allerdings hat nur ein sehr kleiner Teil der SwissRe-Angestellten – 0,3 Prozent – das Carpooling mindestens einmal benutzt.

Der wichtigste Grund war wohl, dass damals kein Bedarf vorhanden war. SwissRe prüfte Carpooling im Hinblick auf den Umzug der Arbeitsstellen von Adliswil nach Zürich. Ein Bedarf für Carpooling entsteht erst nach dem Umzug nach Zürich. Das Pilotprojekt fand jedoch vorher statt.

Politik ist gefragt

Um das Energiesparpotenzial von Carpooling auszubauen oder – im Fall von Airbnb – den Energieverbrauch zu verringern, schlugen die Forschenden konkrete Massnamen vor. Diese wurden dann mit Vertretern aus Politik, Tourismus, Forschung und Industrie diskutiert. Resultat: Damit Carpooling wirklich zum Energiesparen beitragen kann, braucht es eine kritische Masse an Teilnehmenden. Dazu könnten sich Unternehmen zusammentun und ein gemeinsames Carpooling-Programm anbieten. Bei Airbnb sollte die Politik tätig werden, um falsche Anreize abzuschaffen. So könnten Gesetze etwa nur eine kurzfristige Vermietung von Erstwohnsitzen erlauben oder die Anzahl von Übernachtungen beschränken.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Klaus Jonas

Psychologisches Institut
Universität Zürich
Binzmühlestrasse 14 / 13
3-C-02
8050 Zürich

+41 44 635 72 30
k.jonas@psychologie.uzh.chz.ch

Klaus Jonas

Projektleiter

Tobias Arnold

Jürg Artho

Friedel Bachmann

Ueli Haefeli

Anina Hanimann

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 13.06.2019 ab.