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Mit sanften Anreizen die Umwelt verändern

Nicht nur Geld vermag das Umweltverhalten der Menschen zu beeinflussen. Es braucht auch sogenannte weiche Faktoren. Ein Forschungsteam hat herausgefunden, welche besser wirken und welche weniger.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Sanfte Anreize und Energieverbrauch».
Die Einführung von Ökostrom als Standard bei Haushalten hatte einen massiven Effekt auf die Akzeptanz.
Die Einführung von Ökostrom als Standard bei Haushalten hatte einen massiven Effekt auf die Akzeptanz. Pixabay/MariaGodfrida
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Menschen ändern ihr Energiesparverhalten nicht nur aufgrund finanzieller Betrachtungen.
  • Soziale Normen oder das Festlegen von umweltschonendem Verhalten als Standard erweisen sich im Alltag als wichtige Anreize.

In der Diskussion über die Umsetzung der Energiestrategie 2050 geht es häufig ums Geld: Sei es der Energiepreis, eine CO2-Abgabe oder Emissionszertifikate.

Aber welchen Einfluss haben sogenannte «sanfte Anreize» auf das Energiesparverhalten der Menschen? Unter sanften Anreizen versteht man nichtmaterielle Anregungen wie soziale Normen, symbolische Belohnungen oder Veränderungen von Standardverhalten.

Das Team der Universität Bern und ETH Zürich unter der Leitung von Ulf Liebe (Bern, seit 2018 Professor an der Universität Warwick) und Andreas Diekmann (ETH Zürich) hat einen neuen Ansatz gewählt: Es kombinierte Feldversuche mit Längsschnittbefragungen und Interventionsstudien, um herauszufinden, welchen Einfluss die sanften Anreize im realen Leben haben.

Veränderungen von Standardverhalten

Zu einem klaren Befund kommen die Forschenden, wenn es sich um Veränderungen von Standardverhalten handelt. Hierbei analysierten sie eine grosse Datenmenge von insgesamt über 200’000 Haushalten, über 7000 KMUs und 400 energieintensiveren Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100’000 Kilowattstunden.

Diesen Haushalten und Unternehmen wurde von ihrem Stromanbieter mitgeteilt, dass das neue Standard-Strompaket aus 100 Prozent erneuerbaren Energien besteht. Kunden, die dieses Standard-Paket nicht wollten, konnten zu konventionellem Strom wechseln.

Vor der Einführung von Ökostrom als Standard hatten weit über 90 Prozent aller Haushalte und Unternehmen konventionellen Strom bezogen. Die Einführung von Ökostrom als Standard hatte einen massiven Effekt: Um die 80 Prozent der Haushalte und Unternehmen haben den Standard akzeptiert und nunmehr Ökostrom bezogen. Dieser Effekt war bei den Unternehmen etwas geringer als bei den Haushalten. Die Akzeptanz des neuen Standards war nur geringfügig vom Stromverbrauch abhängig und sehr stabil über die Zeit, denn nur weniger als 5 Prozent der Kunden haben Ökostrom über einen Zeitraum von vier Jahren wieder abbestellt. Zudem ergaben die Analysen eine grössere Bereitschaft von Frauen, den Ökostrom-Standard zu akzeptieren.

Umweltsurveys

Einen weiteren Forschungszweig des Projekts stellen die Schweizer Umweltsurveys dar, durchgeführt von der ETH Zürich. 2006, 2011 und 2018 wurden stets die gleichen Personen hinsichtlich ihrer Umwelteinstellung befragt. Zudem wurden die Daten in einem sogenannten Geo-Informationssystem (GIS) mit raumbezogenen Registerdaten verknüpft. Aus Sicht der Forschenden stellen diese Befragungen in einem Zeitrahmen von 12 Jahren eine weltweit einzigartige Datensammlung dar.

Aus diesen Befragungen wissen die Forschenden: Die Spannbreite der Treibhausgasemissionen bei Privatleuten ist sehr hoch. So belastet das obere Zehntel die Umwelt mit sechs Mal so viel Treibhausgasemissionen wie das untere Zehntel. Wer ein hohes Umweltbewusstsein hat, überträgt diese Haltung nur teilweise auf sein persönliches Energieverhalten. Zwar gibt es Zusammenhänge zwischen Umweltbewusstsein und der Mobilität, etwa bei der Autonutzung. Bei privaten Flügen ist allerdings kein signifikanter Zusammenhang mit dem Umweltbewusstsein zu beobachten, zwischen dem Umweltbewusstsein und dem konkreten Handeln bestehen Diskrepanzen. Insbesondere haben Personen mit höheren Einkommen eine eher ungünstigere Ökobilanz als Geringverdiener aufzuweisen. Dennoch bestehen auch in der gleichen Einkommensklasse noch sehr grosse Spielräume, einen mehr oder minder ökologischen Lebensstil zu praktizieren. Wichtig ist das Umweltbewusstsein aber insbesondere dann, wenn es um die Akzeptanz von Massnahmen zur Energieeinsparung geht. Je höher das Umweltbewusstsein, umso eher werden Massnahmen wie zum Beispiel eine Citymaut, höhere Parkgebühren, Tempo 30 in Innenstädten, Tempolimit 100 auf Autobahnen, die Förderung des Veloverkehrs und insgesamt die Energiestrategie 2050 des Bundes unterstützt. Eine sehr grosse Mehrheit spricht sich zudem dafür aus, dass die Regierung die Schweizer Stromanbieter ermutigen soll, Ökostrom als Standardstrom einzuführen.

Für das Team der ETH und die Berner Forschungsgruppe ist darum klar: Die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren die Umsetzungsziele der Strategiewende 2050 und dies umso mehr, je stärker ihr Umweltbewusstsein ausgeprägt ist. Und so empfehlen die Forschenden zur Umsetzung der Energieziele, der Bevölkerung nebst den finanziellen Anreizen auch sanfte Anreize zu setzen.

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Kontakt und Team

Ulf Liebe

The University of Warwick
Coventry, CV4 7AL, UK

+44(0)24 765 72647
Ulf.Liebe@warwick.ac.uk

Ulf Liebe

Projektleiter

Andreas Diekmann

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 18.06.2019 ab.