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Anleitung zur Verhaltensänderung

Einfache Slogans reichen nicht, um Menschen für Sparsamkeit zu gewinnen. Wer die Zielgruppe kennt und weiss, worauf sie anspricht, ist schon einen Schritt weiter.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Nachhaltige Lebensstile und Energieverbrauch».
Mit der richtigen Information liesse sich auch dieser Mann vom dauerhaften Fahrradgebrauch überzeugen: Es gibt E-Bikes zur saisonalen Miete.
Mit der richtigen Information liesse sich auch dieser Mann vom dauerhaften Fahrradgebrauch überzeugen: Es gibt E-Bikes zur saisonalen Miete. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Man kann die Menschen aufgrund ihres aktuellen Verhaltens in vier Phasen unterteilen.
  • Durch die Ansprache von sozialpsychologischen Einflussfaktoren lassen sich die Menschen positiv in ihrem ressourcenschonenden Verhalten beeinflussen.
  • Kampagnen für sparsamen Umgang mit Energie führen dann zum Erfolg, wenn die Menschen mit den richtigen Einflussfaktoren abgeholt werden.

Der Mensch ist kein Befehlsempfänger und kein Roboter. Doch die Umsetzung der Energiestrategie 2050 hängt letzten Endes davon ab, wie der Einzelne für energiesparsame Lebensstile gewonnen und unterstützt werden kann. Denn die Ziele für mehr Klimaschutz und zur Reduktion des Energieverbrauchs sind nur dann zu erreichen, wenn sich das Verhalten der Menschen langfristig verändert.

Die Grundlagen dafür haben die Sozialpsychologie und die Soziologie geschaffen. Beide Wissenschaften versuchen, Menschen nach ihrem Verhalten zu charakterisieren.

Wie ändert ein Mensch sein Verhalten?

Nun konnte Timo Ohnmacht von der Hochschule Luzern (HSLU) zusammen mit seinem Team zeigen, dass sich unterschiedliche Zielgruppen mit individuell geeigneten Massnahmen beeinflussen lassen. Und zwar hinsichtlich eines energiesparsamen Lebensstils.

Dafür kombinierte der Verkehrssoziologe zwei sozialwissenschaftliche Ansätze: zum einen die sogenannten Phasenmodelle zur Beschreibung von Verhaltensänderung und zum anderen sozialpsychologische Einflussfaktoren zur Unterstützung der Verhaltensänderung.

«Ist der Weg zu steil für mich?»

Am Beispiel des Velofahrens lassen sich verschiedene Phasen definieren.

  • Phase 1: Die Person macht sich noch keine Gedanken über das Velofahren. Ziel ist, dass die Person den Wunsch nach einer Verhaltensänderung entwickelt, in unserem Beispiel also den Wunsch, mit dem Velo zu fahren.
  • Phase 2: Nach dem Wunsch steht in dieser Phase die Umsetzung im Vordergrund der Überlegungen. Dabei wägt die Person die Vorteile («Velofahren macht fit») gegen die Nachteile ab («Ist der Weg zur Arbeit nicht zu steil für mich?»).
  • Phase 3: Der Wunsch zur Umsetzung wird konkret. Es werden bereits erste Versuche unternommen und Vorsätze formuliert: «Ab nächster Woche fahre ich täglich mit dem Velo zur Arbeit.»
  • Phase 4: Die Person hat ihren Wunsch langfristig in die Praxis umgesetzt. In dieser letzten Phase steht die Person vor der Herausforderung, ihre Verhaltensänderung zu etablieren und keine Rückfälle in frühere Phasen zu erleiden.

Fragebögen an 7000 Personen

Ob sich jemand umweltschonend verhält, wird zu einem grossen Teil von sozialpsychologischen Einflussfaktoren bestimmt. Die Forschenden der Hochschule Luzern – Wirtschaft zählen in ihrer Studie neun solche Einflussfaktoren auf. Es handelt sich zum Beispiel um soziale Normen, also die Erwartungshaltung wichtiger Bezugspersonen, oder um Emotionen, die man im Kontext mit ressourcenschonendem Verhalten empfindet.

So weit die Theorie. Die Hochschule Luzern – Wirtschaft entwickelte einen Fragebogen, anhand dessen sie in sechs Verhaltensbereichen herausfinden wollte, in welcher Phase sich die Befragten selbst sehen. Dabei beziehen sich alle Verhaltensbereiche auf energieschonendes Verhalten:

  1. Fahrradfahren
  2. Altes Handy länger benutzen
  3. Wahl eines energiesparsamen Wohnhauses
  4. Reduktion des Fleischkonsums
  5. Nutzung der öffentlichen Verkehrsmitteln
  6. Kauf von Second-Hand-Artikeln

Wo ist der nächste Handydoktor?

Dieser Fragebogen wurde in Luzern und Biel an jeweils 3500 Personen geschickt. Der Rücklauf war hoch, in Biel füllten 30 Prozent der Empfänger den Fragebogen aus. In Luzern waren es sogar 50 Prozent.

Ein Resultat dieser Feldforschung war, dass die Massnahmen wirken, wenn sie Rücksicht auf die Phasenzugehörigkeit und die sozialpsychologischen Einflussfaktoren nehmen. Beispiel: Wenn sich eine Person über das Radfahren Gedanken macht, sich aber fürs Fahrrad nicht genügend fit fühlt, bewirken Informationen über die Saisonmiete von E-Bikes, die die physische Anstrengung verkleinert, etwas.

Zwei von fünf Personen wollen altes Handy behalten

Die Umsetzung der Energiestrategie 2050 kann aber nur gelingen, wenn der Anteil der Personen, die sich in Phase 4 befinden, erhöht wird. Also in der Phase, in der die Menschen ihre Verhaltensänderung langfristig einhalten wollen.

Die Studie zeigt, dass die Zugehörigkeit zu Phase 4 tatsächlich erhöht werden kann, wenn die sozialpsychologischen Einflussfaktoren angesprochen werden. Eine solche Massnahme könnte zum Beispiel die Bekanntmachung von Handy-Reparaturstellen sein. In Luzern führte diese Information in einem Simulationsmodell zu einer Erhöhung der Phase-4-Zugehörigkeit: Vor der Bekanntmachung eines «Handydoktors» befanden sich 48,8 Prozent der Luzerner in Phase 4. Nach der Information kletterte der Anteil auf 60,6 Prozent.

Die Hochschule Luzern arbeitete für dieses Projekt eng mit den beteiligten Städten Luzern und Biel zusammen. Die Leitfäden («Toolboxen») der sechs Handlungsfelder, zum Beispiel der für die Weiternutzung des Handys, können auch für andere Städte eingesetzt werden.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Timo Ohnmacht

Institut für Tourismuswirtschaft ITW
Hochschule Luzern
Rösslimatte 48
Raum R211
Postfach 2940
6002 Luzern

+41 41 228 41 88
timo.ohnmacht@hslu.ch

Christian Weibel

Timo Ohnmacht

Projektleiter

Katharina Kossmann

Dorothea Schaffner

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 20.05.2019 ab.