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Zu grosse Wohnungen – Senioren könnten energiesparender leben

Ältere Menschen könnten energiesparender und so umweltgerechter wohnen, etwa indem sie in eine kleinere Wohnung umziehen oder ihr Eigenheim umbauen und sanieren. Was dabei die Herausforderungen und Potenziale sind, untersucht dieses Forschungsprojekt.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Energiesparpotenziale in Haushalten von älteren Menschen».
Wer im Alter sein grosses Einfamilienhaus nicht verlassen will, sollte es «weiterbauen» und energetisch sanieren – und so energiesparender leben.
Wer im Alter sein grosses Einfamilienhaus nicht verlassen will, sollte es «weiterbauen» und energetisch sanieren – und so energiesparender leben. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Viele ältere Schweizerinnen und Schweizer leben in zu grossen Häusern und Wohnungen. So verbrauchen sie mehr Energie als nötig.
  • Dabei könnten sie etwas tun, zum Beispiel in eine kleinere Wohnung umziehen, oder ihr Haus so verändern, dass es energieeffizienter wird.
  • Um ältere Menschen dazu zu bewegen, schlagen die Forschenden vier Massnahmen vor. Eine testeten sie bereits erfolgreich in einem Pilotprojekt.

Wenn die Kinder ausgezogen sind, bleiben viele ältere Menschen in ihren grossen Wohnungen und Häusern wohnen. Doch das schadet Klima und Umwelt, denn es kostet Energie. Nicht nur Heizenergie, sondern auch sogenannte graue Energie. Diese fällt an, wenn Wohnraum ungenutzt bleibt und dafür neue Unterkünfte gebaut werden müssen. Hier gibt es viel Potenzial, um Energie zu sparen. Das gilt besonders für die nun ins Alter kommende zahlreiche Generation der Babyboomer.

Wie man Seniorinnen und Senioren zu energiesparenderem und umweltfreundlicherem Wohnen motivieren könnte, untersuchte das vorliegende Projekt. Darin befragten die Forschenden in über 80 Interviews in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz ältere Menschen zu ihrer Wohnsituation. Unter ihnen waren sowohl Besitzer von Eigenheimen und Stockwerkeigentum als auch Mieter in Wohnungen, Genossenschaften oder Alterssiedlungen.

Wohnen im Alter – ein Tabuthema

Für die allermeisten von ihnen war das Wohnen im Alter ein Tabuthema. Das ist ein Problem, denn die Auswertung der Befragung ergab auch: Nur Menschen, die sich mit dem eigenen Älterwerden beschäftigen, ändern ihre Wohnsituation so, dass sie Energie sparen. Diese Auseinandersetzung ist ein Schlüsselfaktor und wird oft durch den Auszug der Kinder ausgelöst.

In ihren Interviews und Fallstudien untersuchten die Forschenden die Einstellungen der Älteren zu drei verschiedenen Energiesparstrategien genauer:

  1. der sogenannten Verdichtung des Wohnraums – sei es durch Aufnahme von Untermietern oder bauliche Veränderungen (z. B. Schaffung von zwei Wohneinheiten, Einliegerwohnung);
  2. der energetischen Sanierung des eigenen Hauses und
  3. dem Umzug in eine kleinere Wohnung.

So lange wie möglich selbständig wohnen

Die Interviews zeigten: Befragte, die in eine kleinere Wohnung umzogen, taten dies häufig, weil Kinder auszogen, weil sie sich verkleinern wollten und altersgerecht wohnen wollten. Für viele kam ein Umzug dann in Frage, wenn die neue Wohnung barrierefrei war und beispielsweise einen Lift hatte, und wenn sie zentral gelegen war, also öffentliche Verkehrsmittel gut zu erreichen waren. Ausserdem zogen viele einen Umzug dann in Betracht, wenn er ihnen erlaubte, so lange wie möglich selbständig zu wohnen.

Zwar gab es Vorbehalte gegen einen Umzug: zum Beispiel das Verlassen einer gewohnten Umgebung, Angst vor höherem Mietzins oder fehlender Platz für Hobbys. Andererseits sagten Personen, die ihren Wohnraum reduziert hatten, dass sie sich an weniger Platz gewöhnt haben. Zudem erwähnten sie «Co-Benefits». So empfanden sie es als «Befreiung von Dingen» und hatten ein gutes Gefühl, weil sie Platz für grössere Familien gemacht hatten.

Klimaschutz motiviert zur Sanierung

Statt umzuziehen, hatten einige der Befragten aber auch ihr Haus so saniert oder verändert, dass es energieeffizienter wurde. Zwei Drittel gaben an, dass dabei nicht die geringeren Kosten für die Energie der Antrieb waren, sondern der Klimaschutz und das Energiesparen. In der Tat reduzierten die baulichen Veränderungen den Energieverbrauch, erhöhten den Wohnkomfort und gaben den Befragten ein gutes Gefühl, etwas für die Umwelt getan zu haben. Allerdings liessen sich einige der Interviewten von einer baulichen Veränderung oder Sanierung abschrecken, weil sie nicht wussten, wie sie die Investition stemmen sollten.

Um zu untersuchen, wie hoch das Energiesparpotenzial tatsächlich ist, haben die Forschenden konkrete Szenarien durchgerechnet. Das Ergebnis: Umzüge und eine energetische Sanierung sind am vielversprechendsten. Hingegen trägt die bauliche Verdichtung weniger zum Energiesparen bei. Insgesamt könnten Senioren durch die Änderung ihrer Wohnsituation dazu beitragen, bis ins Jahr 2050 insgesamt 13’480 Gigawattstunden Energie einzusparen. Das entspricht etwa dem Stromverbrauch von 5300 Zwei-Personen-Haushalten pro Jahr. Den grössten Anteil daran trägt mit 7230 Gigawattstunden die Ersparnis bei der Heizenergie. Diese Ersparnis entspricht 4,3 Prozent des Energiesparziels, welches in der Energiestrategie 2050 des Bundes festgehalten ist.

Vier Massnahmen vorgeschlagen

Wie kann man nun die alternde Generation der Babyboomer zu den nützlichen Veränderungen bewegen? Dazu haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten sowie Zielgruppen vier Vorschläge für Massnahmen erarbeitet. So sollen erstens eine Kommunikationskampagne und zweitens Beratungsangebote über das energiesparende Wohnen aufklären. Drittens muss Wohnraum für den Umzug in kleinere Wohnungen vermittelt werden, und viertens müssen die politischen Rahmenbedingungen für die Veränderungen der Wohnsituation angepasst werden. Dazu könnten die Zulassung einer höheren Ausnutzung bei energetischen Sanierungen und bessere Kreditmöglichkeiten für Leute im Rentenalter gehören.

Eine der Massnahmen – ein neues Informations- und Beratungsangebot für Personen im Alter über 55 Jahren – wurde in Zusammenarbeit mit dem Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz in der Praxis getestet.

In zwei interaktiven Workshops konnten sich Interessierte entweder zu dem Thema Sanierung und Umbau des Eigenheimes oder zu dem Thema Umzug informieren.

Die Auswertung dieses Projektes ergab: Die Workshops motivierten Teilnehmende unter anderem dazu, ihre zukünftige Wohnsituation zu planen, sich darüber mit Fachpersonen und den eigenen Kindern auszutauschen oder in Einzelfällen sogar ihren derzeitigen Wohnraum gegen eine kleiner Wohnung zu tauschen.

Kontakt und Team

Dr. Heinz Rütter

Rütter Soceco AG
Sozioökonomische Forschung + Beratung
Weingartenstrasse 5
8803 Rüschlikon

+41 44 724 27 70
heinz.ruetter@ruetter-soceco.ch

Heinz Rütter

Projektleiter

Werner Hässig

Pino Hellmüller

Carsten Nathani

Anja Umbach-Daniel

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 31.05.2019 ab.