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Welcher strombasierte Brennstoff ist optimal?

Bevor sich die Schweiz dafür entscheidet, welche erneuerbaren Energieträger wie synthetisches Methan und Wasserstoff die fossilen ersetzen sollen, lohnt es sich, alle Möglichkeiten durchzuspielen. Denn ob sich ein so grosses Vorhaben erfolgreich umsetzen lässt, hängt nicht nur davon ab, ob die Produktion der Gase technisch möglich ist, sondern vor allem davon, ob die Anwendungen in der Schweiz ökonomisch sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden können.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Nachhaltigkeit der Methanisierung».
In den Fokus gerückt – Forschende der ZHAW haben eine neue Wertschöpfungskette auf ihre Umsetzbarkeit in der Schweiz geprüft.
In den Fokus gerückt – Forschende der ZHAW haben eine neue Wertschöpfungskette auf ihre Umsetzbarkeit in der Schweiz geprüft. iStock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Treibhausgasemissionen lassen sich reduzieren, wenn fossile Treibstoffe durch erneuerbare Energieträger wie synthetisches Methan oder Wasserstoff ersetzt werden.
  • Diese können nicht nur Autos und Lastwagen, sondern auch Gasheizungen oder Brennstoffzellen versorgen.
  • Die Umstellung auf Wasserstoff und Methan ist nur dann nachhaltig, wenn die für deren Herstellung benötigte Energie aus umweltfreundlichen Quellen wie etwa Solar- oder Windenergie stammt.

Um die Treibhausgasemissionen zu senken, will die Schweiz das Energiesystem von fossilen auf erneuerbare Energieträger umstellen. Dabei könnten Wasserstoff und synthetisches Methan eine bedeutende Rolle spielen. Energie aus Wasserstoff kann mithilfe von Brennstoffzellen genutzt werden – wobei diese Zellen sowohl stationär als auch mobil betrieben werden können, beispielsweise in Autos. Weiter kann Wasserstoff mit Kohlendioxid und elektrischem Strom in Methan überführt werden. So entsteht eine neue Wertschöpfungskette, in der überschüssiger Strom in Form von Wasserstoff oder unter Zuhilfenahme von CO2 als Methan gespeichert wird.

Bevor man jedoch Zeit und Geld investiert, um eine solche Infrastruktur einzuführen, gilt es zu evaluieren, ob und wie diese Wertschöpfungskette in der Schweiz sinnvoll umgesetzt werden kann. ZHAW-Forschende haben dies getan.

Mehr als nur eine Frage der Technik

Generell ist eine so grosse Umstellung mehr als nur eine Frage der technischen Machbarkeit. Denn die Technologien, die dafür nötig sind, existieren allesamt, aber sie sind noch teuer oder nicht so weit entwickelt, dass sie im grossen Rahmen eingesetzt werden können. Weiter hängt das Gelingen einer Umstellung auf ein neues Energiekonzept auch davon ab, ob die Gesellschaft dieses gutheisst.

Deshalb haben die Forschenden die Wertschöpfungskette nicht nur auf ihre Machbarkeit, sondern auch auf ihre Nachhaltigkeit hin geprüft – also bezüglich ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Fragen. So ist beispielsweise die Photoelektrochemische Wasserspaltung zwar eine klimafreundliche Technologie, um Wasserstoff herzustellen. Für die Herstellung der Zellen werden jedoch Metalle benötigt, die in Ländern abgebaut werden, in denen die sozialen Umstände nicht den Schweizer Standards entsprechen. Somit wäre diese Methode aus sozialer Sicht nur dann nachhaltig, wenn die Arbeits- und Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern der Metalle verbessert würden.

Wasserstoff mit CO2 zu Methan

Alles beginnt mit der Produktion von Wasserstoff, der auf zwei Arten gewonnen werden kann: entweder direkt durch Photoelektrochemische Wasserspaltung, kurz PEC, oder mithilfe von Strom durch Elektrolyse. Der gewonnene Wasserstoff kann dann entweder direkt in einer Brennstoffzelle zu Strom umgewandelt werden oder er wird zur Methanherstellung mithilfe von CO2 umgewandelt. Das erneuerbare Methan kann dann in einer Gasheizung oder in einem Gasfahrzeug als Energieträger genutzt werden.

Diese Wertschöpfungskette hat einen klaren Vorteil gegenüber einer solchen mit fossilen Brennstoffen. Sie benötigt genau so viel CO2 zur Herstellung des Methans, wie sie bei der Verbrennung des Gases freisetzt – der Brennstoff selbst ist somit wieder klimaneutral. So hilft diese Wertschöpfungskette der Schweiz, ihre Ziele zur Energiestrategie 2050 zu erreichen.

Nachhaltig auf allen Ebenen

Um die Wertschöpfungskette evaluieren zu können, hat das Forschungsteam insgesamt fünf Szenarien definiert.

  • Basis-Szenario: Beschreibt das heutige System. Fossiles Methan wird zur Gewinnung von Strom genutzt. Dabei werden für die CO2-Emissionen Zertifikate gekauft, welche die negativen Auswirkungen auf das Klima kompensieren sollen.
  • Szenario 1: Gewinnung von Wasserstoff mittels PEC-Zellen in der Schweiz und dann dessen Weiterverarbeitung zu Methan in ebenfalls lokalen Reaktoren.
  • Szenario 2: Der Wasserstoff wird im Elektrolyseverfahren mit Strom aus Photovoltaikanlagen hergestellt und dann lokal zu Methan weiterverarbeitet.
  • Szenario 3A: Der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs kommt aus überschüssigen erneuerbaren Energiequellen.
  • Szenario 3B: Der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs kommt aus dem heutigen Strommix.

Welches Szenario am umweltverträglichsten ist, hängt nicht nur davon ab, wie viel CO2 dabei freigesetzt wird. Denn auch andere Einflüsse können die Umwelt belasten. Bei Szenario 3B beispielsweise würde der Strom zur Wasserstoffgewinnung aus dem heutigen Strommix stammen. Da dieser aber zu etwa 35 Prozent aus Kernkraftwerken stammt, fallen radioaktive Abfälle an. Diese müssen lange sicher gelagert werden und schlagen somit als negativer Umwelteinfluss zu Buche.

Aber auch Geld spielt eine Rolle dabei, ob ein Szenario erfolgreich umgesetzt werden kann. Resultat der Kostenevaluation: In allen Fällen muss mit Kosten im zweistelligen Milliardenbereich gerechnet werden – ausser beim Basis-Szenario. Was nicht weiter erstaunlich ist, da alle anderen Szenarien die Einführung vieler neuer Technologien voraussetzen. Am höchsten wären die Kosten für Szenario 1, sofern man das CO2 aus der Atmosphäre filtern möchte – denn das ist teuer. In einem weiteren Schritt soll dieses CO2 dann mit Wasserstoff aus der wenig erprobten PEC-Technologie zu Methan umgewandelt werden. Zusammen führt dies zu einer geringen ökonomischen Nachhaltigkeit.

Lässt man das Basis-Szenario aussen vor, schnitt im Bereich der ökonomischen Nachhaltigkeit das Szenario 3A am besten ab. Da in der Praxis jedoch nicht genügend Überschussstrom zur Verfügung steht, sind Neuinstallationen notwendig, die den Strom aus erneuerbaren Energiequellen zur Verfügung stellen können. Szenario 3A ist somit das günstigste theoretisch umsetzbare Szenario in dieser Gegenüberstellung.

Nicht um jeden Preis

Die Forschenden stellen fest, dass die vergleichsweise wenigen Sonnenstunden in der Schweiz nicht optimal sind, um Strom respektive Wasserstoff mittels Photovoltaik zu gewinnen. Die Herstellung des notwendigen Stroms würde bedeuten, dass eine Fläche von 100 km2 mit Photovoltaik-Zellen belegt werden müsste. Nur wenn die Effizienz der Technologien weiter steigt, könnten diese Szenarien nachhaltiger werden.

Neben der Technologieentwicklung gilt es auch zu berücksichtigen, unter welchen Bedingungen Rohstoffe gewonnen werden. So wird beispielsweise für die neuen Brennstoffzellen Nickel aus Indonesien benötigt. Und auch dort ist – wie in vielen anderen Ländern – die Transparenz betreffend der Arbeitsbedingungen schlecht. Das macht klare Aussagen über die soziale Nachhaltigkeit der Technologie praktisch unmöglich.

Direkt nutzen oder umwandeln?

Abschliessend haben die Forschenden evaluiert, ob es sinnvoller ist, den Wasserstoff direkt als Energieträger zu verwenden oder ihn mit Kohlendioxid in Methan umzuwandeln.

Direkte Verwendung: Wasserstoff ist ein hochwertiger Energieträger, der sehr vielseitig eingesetzt werden kann. So können damit sowohl stationäre wie auch mobile Brennstoffzellen angetrieben werden. Der grösste Nachteil besteht darin, dass die Infrastruktur für die Lagerung und den Transport in der Schweiz nicht ausgebaut ist.

Umwandlung in Methan: Der grösste Vorteil dieses Weges liegt in der bereits bestehenden Infrastruktur. So kann dieser Energieträger in das gut ausgebaute Schweizer Gasnetz gespeist werden. Die grösste Schwäche ist die Neuinstallation von Komponenten, denn dadurch entstehen hohe Installationskosten.

Gesamthaft kommen die Forschenden zum Schluss, dass eine Umstellung auf die neue Wertschöpfungskette nur dann nachhaltig sein kann, wenn sie Hand in Hand geht mit der Umstellung auf die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Vicente Carabias-Hütter

ZHAW School of Engineering
Forschungsschwerpunkt Nachhaltige Energiesysteme
Technoparkstrasse 2
8400 Winterthur

+41 58 934 70 15
vicente.carabias@zhaw.ch

Sarah Wettstein

Vicente Carabias

Projektleitung

Christian Zipper

Projekleitung

Jens Baier

Luis Lopez de Obeso

Evelyn Lobsiger-Kägi

Gabriel Schneider

Matthias Stucki

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 18.06.2019 ab.