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Ein neues Material nutzt Abwärme effizienter

Heute geht viel Energie in Form von Wärme verloren, zum Beispiel Abwärme von Fabriken oder Rechenzentren. Diese Energie könnte mithilfe sogenannter Adsorptionswärmepumpen abgeschöpft und verwertet werden. Doch bisher waren solche Anlagen noch zu ineffizient und teuer. Nun haben Forschende der Empa ein neues Material entwickelt, das Adsorptionswärmepumpen deutlich effizienter macht.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Materialien für Adsorptionswärmepumpen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Wärmenutzung durch Sorptionstechnologie».
Für Versuche im Labor: Die thermohydraulische Anlage simuliert die Funktionsweise einer Adsorptionswärmepumpe.
Für Versuche im Labor: Die thermohydraulische Anlage simuliert die Funktionsweise einer Adsorptionswärmepumpe. HEIG-VD
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Energie fürs Heizen und Kühlen von Häusern und industriellen Prozessen wird heute noch zu wenig effizient genutzt: Ein grosser Teil davon geht in Form von Abwärme verloren. Diese Wärmeenergie könnte künftig mit Adsorptionswärmepumpen genutzt werden.
  • Um solche Anlagen effizienter und günstiger zu machen, haben Forschende der Empa in Dübendorf kohlenstoffbasierte Sorptionsmaterialien weiterentwickelt – das Sorptionsmaterial ist der Kern einer Adsorptionswärmepumpe.
  • Die neuen Materialien sind zwei bis dreimal so effizient wie bisher verfügbare Substanzen.

Die Hälfte des Energieverbrauchs in der Schweiz fliesst in die Produktion von Wärme. Wir benutzen sie, um Gebäude zu heizen, Wasser für den Haushalt zu erwärmen oder industrielle Prozesse anzutreiben. Betrachtet man nur den Stromverbrauch, gehen ganze 40 Prozent davon ins Wärmen und Kühlen.

Nun geben viele Heizprozesse ihrerseits Wärme an die Umwelt ab oder erzeugen neue Wärmeenergie, die sich nutzen liesse. Doch heute verpufft diese Ressource noch vielerorts in der Luft. «Wir sollten Abwärme künftig konsequenter nutzen», sagt darum Matthias Koebel, Materialforscher an der Empa in Dübendorf. Eine Möglichkeit dazu sind sogenannte Adsorptionswärmepumpen. Mit solchen Anlagen liesse sich beispielsweise Abwärme von Fabriken, Rechenzentren oder thermischen Solaranlagen auffangen und wiederverwenden. Allerdings waren die Anlagen bislang vergleichsweise ineffizient und darum teuer. Nun hat Koebel zusammen mit seinem Team den Kern solcher Wärmepumpen – das Sorptionsmaterial – weiterentwickelt und effizienter gemacht. Die Arbeit war ein Unterprojekt des Verbundprojekts «Wärmenutzung durch Sorptionstechnologie», welches zum Ziel hatte, Adsorptionswärmepumpen zur Marktfähigkeit zu bringen.

Keinen Strom nutzen

Wie die heute üblichen Kompressionswärmepumpen können auch Adsorptionswärmepumpen der Umgebung Wärme entziehen und diese vervielfachen. Im Gegensatz zu den konventionellen Wärmepumpen benötigen sie dazu fast keinen Strom, sondern nutzen Abwärme als Antrieb. Das funktioniert ab einer Temperatur von 35 bis 60 Grad Celsius. Zuerst wird die Wärme benutzt, um ein Kältemittel zu verdampfen – bei Adsorptionswärmepumpen ist das häufig Wasser. Der entstehende Wasserdampf wird von einem Sorptionsmaterial aufgenommen, dessen Struktur einem nanoporösen Schwamm gleicht. Darin wird der Dampf in verdichtet und dadurch weiter erhitzt. Ist die Aufnahmekapazität des Materials erschöpft, muss dieses wieder regeneriert werden – dabei wird das nun heissere, adsorbierte Wasser mittels Zugabe von etwas Abwärme wieder ausgetrieben. Die gewonnene Hitze lässt sich an einen Heizkreislauf abgeben.

Wie konventionelle Kompressionswärmepumpen können Adsorptionswärmepumpen aber auch zum Kühlen verwendet werden. Im Kühlmodus beruht die Maschine dann auf dem Abkühlen des verdampfenden Kältemittels. Eine typische Anlage funktioniert so, dass die Verdampfereinheit und die Elemente mit dem Sorptionsmaterial – die Adsorberpakete – jeweils doppelt ausgeführt sind. Während des Betriebs generiert eines der Adsorberpakete aktiv Kälte oder Hitze, währenddem das zweite regeneriert. Nach einigen Zyklen wird gewechselt.

Wie effizient eine Adsorptionswärmepumpe ist, bestimmt hauptsächlich das verwendete Sorptionsmaterial. Solche Materialien werden bereits von kommerziellen Herstellern angeboten, beispielsweise als Trocknungsmittel. Eine simple Version davon sind die Silicagel-Säckchen, die sich häufig in neu gekauften Taschen oder in Verpackungen von elektronischen Geräten finden. Die meisten Sorptionsmaterialien bestehen aus solchem Silicagel, also aus amorphem Siliciumdioxid, oder aus Aktivkohle – das ist poröser, feinkörniger Kohlenstoff. Ausserdem gibt es Sorptionsmaterialien aus Metallorganischen Verbindungen, die jedoch einiges teurer sind.

Sorptionsmaterialien im Vergleich

Um einen Vergleichsmassstab für nachfolgende Verbesserungen festzulegen, untersuchten die Forschenden zunächst eine ganze Reihe solcher kommerziell erhältlichen Substanzen. Sie analysierten diese in Labortests anhand vier verschiedener Szenarien für den zukünftigen Einsatz der Wärmepumpen. Diese Anwendungsszenarien hatten Forscherkollegen zuvor in einem weiteren Unterprojekt entworfen:

  • 1: Nutzung von Abwärme aus der Industrie fürs Heizen über Fernwärmeleitungen.
  • 2: Transformation und Verteilung von Wärme fürs energieeffizientere Heizen über Fernwärmeleitungen.
  • 3: Verstärken von Holzpelletheizungen.
  • 4: Kühlung eines Rechencenters. Denn genau wie konventionelle Wärmepumpen können Adsorptionswärmepumpen in umgekehrter Arbeitsrichtung auch kühlen.

Nun ermittelten die Forschenden in Laborversuchen, wie gut Anlagen mit kommerziellen Sorptionsmaterialien diese Aufgaben erfüllen könnten. Sie testeten gesamthaft 14 verschiedene gekaufte Produkte und bestimmten dabei unter anderem, wie gut diese Wasser und Stickstoff einlagern, wie porös sie sind und welche Dichte sie aufweisen.

Dabei stellte sich heraus, dass sich manche Materialien besser für die Szenarien 1 und 3 eigneten, andere eher für die Szenarien 2 und 4. «Das liegt daran, dass die Szenarien-Paare jeweils ähnliche Sorptionseigenschaften erfordern», erklärt Materialforscher Koebel. Für die Szenarien 1 und 3 ergab ein Material aus kristallinem Silicium-Aluminiumphosphat die besten Resultate. Für die Szenarien 2 und 4 erwiesen sich einige Produkte aus Kohlenstoff und Silicagel als gleichwertig. Vor allem bei Szenario 4 aber zeigte eine metallorganische Verbindung namens Aluminiumfumarat die beste Sorptionsfähigkeit. Allerdings: «Aluminiumfumarat ist das weitaus teuerste Material», sagt Koebel. «Häufig ist es gar nicht in jenen grossen Mengen erhältlich, die man für Adsorptionswärmepumpen benötigen würde.» Aus wirtschaftlichen Gründen konzentrierte sich das Team also darauf, Materialien aus Siliciumdioxid und Kohlenstoff zu verbessern.

Besser als die kommerziellen Pendants

Zuerst optimierten die Forschenden die Synthese von Silica-Sorptionsmaterialien. Sie mischten eine wässrige Suspension aus Kieselsäure und Siliciumdioxid mit einer Ammoniaklösung. Anschliessen wurde die Mischung geliert und bei 65 Grad Celsius getrocknet. In verschiedenen Versuchen variierten die Forschenden nun die Konzentration der eingesetzten Substanzen und erkannten, dass sie damit die Grösse der entstehenden Partikel sowie die Porengrösse in deren Oberfläche kontrollieren können – beides Merkmale, die die Sorptionseigenschaften eines Materials bestimmen. Auf diese Weise kreierten die Materialforscher ein Material, das im Vergleich zu den kommerziellen Pendants vor allem bei Szenario 4 besser abschneidet.

Die Herstellung des verbesserten Silicagels: Von der Suspension (links), über die Trocknung zum Produkt, den Silica-Kügelchen.
Die Herstellung des verbesserten Silicagels: Von der Suspension (links), über die Trocknung zum Produkt, den Silica-Kügelchen.

Noch bessere Resultate erzielte das Team aber bei Materialien aus Kohlenstoff. Auch hier verbesserten sie die Herstellung schrittweise. Bei der ursprünglichen Synthese werden Melamin, eine Stickstoffverbindung, und das organische Molekül Resorcinol mit Wasser sowie sukzessive mit Natronlauge und Salzsäure gemischt. Das ergibt ein Gel, das anschliessend vorgetrocknet und dann bei 900 Grad Celsius im Ofen carbonisiert wird. Der letzte Schritt ist die Aktivierung: Dabei wandelt sich ein Teil des Kohlenstoffs in gasförmige Kohlenstoffoxide um, wodurch zusätzliche Poren entstehen. Dadurch vergrössert sich die Oberfläche der Substanz und die Sorptionskapazität nimmt zu.

Diese Aktivierung haben die Empa-Forschenden in ihren Versuchen als Erstes verbessert. Die besten Resultate erzielten sie mit einer Carbonisierung bei 800 Grad Celsius unter einem konstanten Kohlendioxid-Strom. Als nächstes variierten sie in der Synthese die chemische Struktur ihres Materials und schliesslich die Mikrostruktur: Die Grösse und Form der Poren im Material.

Der Weg zum Sorptionsmaterial aus aktiviertem Kohlenstoff: Das Gel wird aus verschiedenen Molekülen zusammengemischt, geformt, getrocknet und bei 800 Grad Celsius carbonisiert. Die resultierenden Scheiben eignen sich als stabiles und effizientes Sorptionsmaterial.
Der Weg zum Sorptionsmaterial aus aktiviertem Kohlenstoff: Das Gel wird aus verschiedenen Molekülen zusammengemischt, geformt, getrocknet und bei 800 Grad Celsius carbonisiert. Die resultierenden Scheiben eignen sich als stabiles und effizientes Sorptionsmaterial. Empa

So gelang es ihnen schliesslich, in grossem Massstab Kohlenstoff-Scheiben herzustellen, die sowohl stabil wie auch effizient sind: Sie adsorbieren und desorbieren Dampf doppelt bis dreifach so gut wie kommerzielle Materialien. Und sie zeigen vor allem für die Szenarien 2 und 4 deutlich bessere Sorptionseigenschaften.

In der Wärmepumpe werden die Kohlenstoff-Scheiben dann zwischen wärmeleitende Kupfer-Plättchen geklebt und um die Kühlmittelleitung herum gestapelt. Das Design solcher Wärmetauscher-Elemente ist für den Betrieb der Wärmepumpe ebenso wichtig wie die Leistung des Materials.
In der Wärmepumpe werden die Kohlenstoff-Scheiben dann zwischen wärmeleitende Kupfer-Plättchen geklebt und um die Kühlmittelleitung herum gestapelt. Das Design solcher Wärmetauscher-Elemente ist für den Betrieb der Wärmepumpe ebenso wichtig wie die Leistung des Materials. IBM/HSR

Weniger Klimagase in der Atmosphäre

Diese Erkenntnisse kombinierten die Forschenden schliesslich mit den Ergebnissen aus den weiteren Unterprojekten des Verbundprojekts. Diese hatten sich mit dem Wärmetransfer in den Adsorptionswärmepumpen sowie mit den Umwelteinflüssen und der Wirtschaftlichkeit der Anlagen beschäftigt. Fazit: Würden Adsorptionswärmepumpen in der Schweiz bis ins Jahr 2050 schon nur in den vier betrachteten Szenarien flächendeckend eingeführt, würde sich der Ausstoss von Klimagasen um bis zu fünf Prozent vermindern.

Kontakt und Team

Prof. Matthias Koebel

Empa
Überlandstrasse 129
8600 Dübendorf

+41 58 765 47 80
matthias.koebel@empa.ch

Matthias Koebel

Projektleitung

Shelly Arreguin

Sandra Galmarini

Lukas Huber

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 06.06.2019 ab.