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So lässt sich der gesamte CO2-Ausstoss der Zementproduktion sinnvoll nutzen

Aus CO2 lässt sich Methangas machen, das wiederum zur Erzeugung von Strom oder Wärme dienen kann. Eine solche Wertschöpfungskette haben Forschende der ZHAW in einem Verbundprojekt untersucht.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung».
Sieben Prozent der CO<sub>2</sub>-Emissionen in der Schweiz stammen aus der Zementproduktion.
Sieben Prozent der CO2-Emissionen in der Schweiz stammen aus der Zementproduktion. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Bei der Herstellung von Zement werden in der Schweiz jedes Jahr 2,5 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt.
  • Forschende der ZHAW, EMPA und EPFL haben untersucht, wie dieses CO2 möglichst effizient in erneuerbares Methangas umgewandelt werden kann, das wiederum zur Erzeugung von Strom oder Wärme verwendet werden kann.
  • Der Schluss der Analyse: Das gesamte CO2 aus der Schweizer Zementherstellung liesse sich in Methan umwandeln. Dieses könnte 33 Prozent der fossilen Gasimporte ersetzen.
  • Aber der Prozess ist teuer: Erneuerbares Methan kostet derzeit rund drei Mal mehr als fossiles. Damit das erneuerbare Gas konkurrenzfähig wird, müssen die Technologien günstiger werden.

Eines der wichtigsten Ziele der Energiestrategie 2050 ist es, den Ausstoss von Kohlenstoffdioxid (CO2) zu verringern. Die Schweiz hat sich mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um die Hälfte zu reduzieren.

Mit einem Ausstoss von rund 2,5 Millionen Tonnen CO2 trägt die Zementproduktion einen wesentlichen Teil an die landesweiten Emissionen bei: nämlich sieben Prozent. Das meiste davon entsteht beim Kalkbrennen. Dabei wird das im Kalk gebundene CO2 freigesetzt. Diesen CO2-Ausstoss zu reduzieren, ist chemisch nicht möglich. Aber das Gas könnte genutzt werden, um den Verbrauch und Import von fossilen Brennstoffen in der Schweiz zu verringern, wie Forschende der ZHAW in einem Verbundprojekt aufzeigen: Das CO2 kann zusammen mit erneuerbarem Wasserstoff in erneuerbares Methan umgewandelt werden. Dieses könnte dann ins bestehende Erdgasnetz eingespeist und durch Brennstoffzelltechnologien, die einen hohen Wirkungsgrad besitzen, genutzt werden.

In vier technischen Projekten haben die Forschenden neue Komponenten, Materialien und Prozesse entwickelt, um die ganze Wertschöpfungskette abzubilden. In einem fünften, nicht technischen Projekt analysierten sie die Nachhaltigkeit des Prozesses.

Das gesamte CO2 lässt sich umwandeln

Beim ersten Projekt ging es darum, Sonnenenergie in erneuerbaren Wasserstoff (H2) umzuwandeln. Der Prozess nennt sich photoelektrochemische Wasserspaltung (PEC). Dabei wird einfallendes Sonnenlicht nicht wie bei der Photovoltaik zuerst in Strom umgewandelt, sondern direkt für die Wasserspaltung benutzt. Bei diesem Verfahren gelang EPFL-Forschenden ein Wirkungsgrad von 8,8 Prozent für den Solar-zu-Wasserstoff-Prozess.

Mit dem gewonnenen Wasserstoff wird dann das CO2 zu Methangas aufgewertet. Das Thema des zweiten Projekts. Mit einem neu entwickelten Katalysator gelang es, das gesamte eingebrachte CO2 in Wasserstoff umzuwandeln. Zudem konnten die Forschenden die Betriebszeit des Katalysators verdreifachen. Das ist entscheidend, denn es macht die Umwandlung effektiver und günstiger.

Als nächstes kann das gewonnene Methangas zur Erzeugung von Strom oder Wärme genutzt werden. Dazu braucht es Brennstoffzellen, mit deren Technologien sich das dritte und vierte Projekt beschäftig haben. Eines fokussierte sich auf die stationäre Anwendung, also Elektrizität und Wärme in Gebäuden, das andere auf die mobile Nutzung, beispielsweise zum Antrieb von Fahrzeugen. Hier entwickelten die Forschenden neue Nutzungsmodelle und verwendeten ein Material, das zur Effizienz bei der Nutzung von Brennstoffzellen beiträgt.

Das ganze CO2 von Zementwerken könnte zu Methangas werden

Aber, liesse sich der Prozess in der Schweiz auch tatsächlich umsetzen? Die Antwort lautet ja. Die Forschenden kamen zum Schluss, dass die ganzen 2,5 Millionen Tonnen CO2 aus der Schweizer Zementproduktion in erneuerbares Methan umgewandelt werden können – und zwar mit heute bestehenden Technologien. Dieses Methan könnte 33 Prozent der fossilen Gasimporte ersetzen.

Das ist noch nicht alles: Mit einem Heizsystem für Privathaushalte, das vorwiegend auf Brennstoffzell-Technologie beruht, könnte gegenüber herkömmlichen Heizsystemen 50 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Diese Brennstoffzellen gibt es übrigens bereits auf dem Markt – Konsumenten könnten dieses schon jetzt benutzen, um ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Das wissen aber viele nicht. Es wäre laut den Forschenden wünschenswert, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.

Dennoch gibt es noch ein paar Hürden. Erstens: Der Prozess ist teuer. Erneuerbares Methan auf diese Weise zu gewinnen, kostet noch 3,6 Mal mehr als fossiles Gas. Die Produktion von Wasserstoff ist mit rund 90 Prozent Kostenanteil der teuerste Produktionsschritt in der Wertschöpfungskette. Damit erneuerbares Methan konkurrenzfähig wird, muss also eines oder mehrere der Verfahren günstiger werden.

Zudem ist die photoelektrochemische Wasserspaltung, die mittels Sonnenenergie Wasserstoff produziert, eine junge Technologie. Es ist gemäss Einschätzung der Forschenden nicht realistisch, dass sie in den nächsten 5 bis 10 Jahren substanziell zum Energiesystem beitragen wird. Danach könnte sie aber eine grosse Rolle übernehmen. Unter anderem, weil sie zwei Technologien ersetzen könnte: Photovoltaik zur Umwandlung von Sonnenlicht in Energie und Elektrolyse zur Gewinnung von Wasserstoff.

Investitionen in Milliardenhöhe nötig

Egal ob Methangas künftig mit dieser neuen Technologie produziert wird oder mit der altbewährten, der Photovoltaik plus Elektrolyse: Es muss dazu viel Sonnenlicht eingefangen werden. Schon nur für die 2,5 Millionen Tonnen CO2 der Zementindustrie wären Flächen von rund 100 Quadratkilometern an Solarzellen nötig. Theoretisch würden also die in der Schweiz vorhandenen etwa 150 Quadratkilometer Dachflächen ausreichen, aber die solare Gasproduktion würde der privaten Nutzung von Dächern in die Quere kommen.

Eines steht fest: Um importierte fossile Brennstoffe zu ersetzen, braucht es Investitionen in Milliardenhöhe und gesetzliche Vorgaben, um die Entwicklungen in dem sich stark verändernden Energiemarkt zu steuern. Denn die Schweizer Energieindustrie braucht feste Rahmenbedingungen, dann kann sie diese Technologien auch umsetzen.

Kontakt und Team

Dr. Andre Heel

Forschungsbereich Prozesstechnik
ZHAW
Technikumstrasse 9
8400 Winterthur

+41 (0) 58 934 47 03
andre.heel@zhaw.ch

Andre Heel

Projektleiter

Thomas Hocker

Projektleiter

Andreas Borgschulte

Vicente Carabias

Andreas Hagfeldt

Jürgen Schumacher

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.