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Wärme wiederverwenden birgt grosses Potenzial

Heute verpufft viel Wärmeenergie in der Luft, beispielsweise Abwärme von Fabriken oder Rechenzentren. Diese Energie könnte besser genutzt werden als bisher – mit sogenannten Adsorptionswärmepumpen. Nun haben Forschende in einem Verbundprojekt neue Konzepte für hocheffiziente Wärmepumpen entwickelt sowie Szenarien entworfen, um sie in der Praxis einzusetzen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Wärmenutzung durch Sorptionstechnologie».
Der Prototyp der neu entwickelten Adsorptionswärmepumpe. Solche Anlagen könnten künftig beispielsweise Abwärme von Fabriken nutzen.
Der Prototyp der neu entwickelten Adsorptionswärmepumpe. Solche Anlagen könnten künftig beispielsweise Abwärme von Fabriken nutzen. Institut für Solartechnik
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Energie fürs Heizen und Kühlen von Häusern und industriellen Prozessen stammt nach wie vor hauptsächlich aus fossilen Quellen oder von Strom, der zu einem grossen Teil aus Kernenergie stammt. Einen Ersatz könnte die bessere Nutzung von Abwärme bieten.
  • Dazu haben Forschende von IBM Research und der Hochschule für Technik Rapperswil eine Adsorptionspumpe entwickelt, die deutlich effizienter ist als bisherige Anlagen.
  • Würden solche Wärmepumpen in der Schweiz in bestimmten, im Projekt geprüften Szenarien zur Wärmenutzung eingesetzt, würde der Ausstoss von Klimagasen um bis zu fünf Prozent sinken.

Wärme zu erzeugen kostet viel Energie: Um unsere Wohnungen und Büros zu heizen, Warmwasser zu produzieren und in industriellen Prozessen Materialien zu trocknen oder zu schmelzen, verwenden wir in der Schweiz die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs. Diese Energie stammt nach wie vor überwiegend aus fossilen Quellen. Schaut man sich nur den Stromverbrauch an, gehen davon 40 Prozent ins Wärmen und Kühlen von Räumen oder Materialien – etwa die Hälfte dieses Stroms kommt heute noch aus Kernkraftwerken.

Das muss sich in Zukunft ändern, weil die Energiestrategie 2050 festlegt, dass sowohl der CO2-Ausstoss sinken wie auch die Kernenergie als Stromquelle verschwinden soll. «Wir müssen anfangen, unsere Ressourcen effizienter zu nutzen», sagt darum Bruno Michel, Computeringenieur bei IBM Research. Als eine Möglichkeit sieht er Wärmepumpen, die Energie aus bisher nicht genutzter Abwärme beziehen. Er hat zusammen mit Kollegen von IBM Research und der Hochschule für Technik Rapperswil in einem Verbundprojekt sogenannte Adsorptionswärmepumpen weiterentwickelt.

Wärme statt Strom nutzen

Adsorptionswärmepumpen funktionieren ähnlich wie die heute üblichen Kompressionswärmepumpen – mit einem Unterschied: Sie benötigen Wärme als Antrieb, dafür aber fast keinen Strom.

Heute können konventionelle Wärmepumpen der Umgebung schon bei niedrigen Temperaturen ab minus fünf Grad Celsius Wärme entziehen und diese vermehren. Das funktioniert folgendermassen: Zuerst wird die Umweltwärme benutzt, um ein Kältemittel zu verdampfen. Dabei handelt es sich um chemische Substanz, die einen niedrigen Siedepunkt hat und beispielsweise auch in Kühlschränken eingesetzt wird. Der Dampf kommt sodann in einen Kompressor, der elektrisch betrieben ist. Dieser verdichtet den Dampf und erhitzt ihn dadurch weiter. Die zusätzliche Hitze wird schliesslich an einen Heizkreislauf abgegeben.

Im Gegensatz dazu enthält eine Adsorptionswärmepumpe anstelle eines Kompressors einen sogenannten Adsorptionswärmetauscher. Dieser nutzt nicht Elektrizität als Antrieb, sondern Wärme. Das Ganze funktioniert aber erst ab einer Antriebswärme von 50 bis 60 Grad Celsius. Ähnlich wie ein Kompressor nimmt der Wärmetauscher ein verdampftes Kältemittel auf – häufig wird hier als umweltfreundliches Kältemittel Wasser eingesetzt. Im Innern des Wärmetauschers wird der Dampf dann in einem Sorptionsmaterial verdichtet, wodurch wiederum Hitze entsteht. Jetzt braucht die Anlage etwas zusätzliche Wärmeenergie, um den nun heisseren Dampf wieder freizugeben. Wie üblich kann die aufgewertete Hitze daraufhin in einen Heizkreislauf geleitet werden.

Obschon diese Technologie perfekt dazu geeignet wäre, bisher noch nicht genutzte Abwärme aufzufangen und wiederzuverwenden, etwa von Fabriken, Rechenzentren oder thermischen Solaranlagen, hat sie sich in der Praxis noch nicht durchgesetzt. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe, sagt Projektleiter Michel: Erstens gab es bisher keine durchdachten Szenarien, die zeigten, in welche bestehenden Heiz-Infrastrukturen die Anlagen am besten eingefügt werden könnten. Zweitens waren die Wärmepumpen noch vergleichsweise ineffizient und teuer.

Realistische Szenarien

Diese Hindernisse haben Michel und seine Kollegen nun mit ihrer Forschung beseitigt. Sie entwarfen zunächst vier detaillierte Anwendungsszenarien für den zukünftigen Einsatz der Wärmepumpen:

  • Die Nutzung von Abwärme aus der Industrie fürs Heizen über Fernwärmeleitungen.
  • Die Transformation und Verteilung von Wärme fürs energieeffizientere Heizen über Fernwärmeleitungen.
  • Das Verstärken von Holzpelletheizungen.
  • Die Kühlung eines Rechencenters. Denn genau wie konventionelle Wärmepumpen können Adsorptionswärmepumpen in umgekehrter Arbeitsrichtung auch kühlen.

Das Ziel für jedes dieser Szenarien war es, die vorhandene Wärme möglichst optimal zu nutzen. Der Effekt: Würden in der Schweiz bis ins Jahr 2050 schon nur diese vier Szenarien flächendeckend eingeführt, so die Berechnungen der Forscher, würde das den Ausstoss von Klimagasen um bis zu fünf Prozent senken.

Aufgrund der Szenarien ermittelten die Forscher anschliessend, welche technischen Anforderungen entsprechende Anlagen erfüllen müssten. Diese Anforderungen dienten ihnen als Basis für die Weiterentwicklung.

Gefordert: mehr Effizienz

Als Erstes begaben sich auf die Suche nach einem effizienteren Sorptionsmaterial – der Kern einer Adsorptionswärmepumpe. Dazu testeten sie verschiedene Herstellungsarten für neue Materialien auf Kohlenstoffbasis. Mit einer sogenannten Sol-Gel-Synthese erhielten sie schliesslich eine Substanz – so genannte Kohlenstoff-Monolithe – die sowohl über längere Zeit hinweg stabil wie auch effizient sind: Sie adsorbieren und desorbieren Dampf doppelt so effizient wie bisher genutzte Materialien.

Das neuentwickelte Sorptionsmaterial. Solche Kohlenstoff-Monolithe verdichten in einer Adsorptionswärmepumpe Dampf und erzeugen damit Wärmeenergie.
Das neuentwickelte Sorptionsmaterial. Solche Kohlenstoff-Monolithe verdichten in einer Adsorptionswärmepumpe Dampf und erzeugen damit Wärmeenergie. Lukas Huber, Empa

Als Zweites verbesserten die Forschenden den Wärmetransfer innerhalb der Maschine. Dafür entwickelten sie in einem Unterprojekt eigens ein neues Charakterisierungsverfahren mit einer Infrarotkamera. Mit dieser identifizierten sie, wo und warum innerhalb der Anlage Wärme verloren geht. So erkannten sie, dass die Mikrostruktur des Sorptionsmaterials eine grosse Rolle spielt. Durch Ausprobieren neuer Strukturen und sukzessiver Tests entwickelten sie schrittweise die optimale Struktur. Ergebnis: Die Leistungsfähigkeit des Materials steigerte sich nochmals um das Dreifache.

Sichtbare Wärme: Eine Infrarotkamera zeigt die Temperaturunterschiede während eines Adsorptionsvorgangs.
Sichtbare Wärme: Eine Infrarotkamera zeigt die Temperaturunterschiede während eines Adsorptionsvorgangs. Institut für Solartechnik, HSR

Entscheidungshilfe

Schliesslich führten die Computeringenieure eine Nachhaltigkeits- und Kostenanalyse durch, um die Umwelteinflüsse und die Wirtschaftlichkeit ihrer Adsorptionswärmepumpe über deren gesamte Lebensdauer zu ermitteln. Diese Werte verglichen sie mit anderen Systemen, beispielsweise mit Heizungen, die mit Holzpellets oder Erdgas befeuert werden, oder einer konventionellen Wärmepumpe, die Wärme aus dem Erdreich zieht. Dabei berechneten die Forschenden jeweils die Umwelteinflüsse der verschiedenartigen Systeme sowie deren wirtschaftliche und soziale Einflüsse anhand verschiedener Kriterien – beispielsweise die Emission von Klimagasen, der Energieverbrauch, die Kosten der Systeme oder wie gut die Bevölkerung die Technologien akzeptiert.

In allen Belangen schnitt die neue Adsorptionswärmepumpe am besten ab, vor allem wenn es darum ging, Wärme von grossen Anlagen – etwa Fabriken oder solarthermischen Kraftwerken – abzuschöpfen. Aber auch bei kleineren, dezentralen Anlagen wie beispielsweise eine Heizung für ein Mehrfamilienhaus schnitt die Adsorptionswärmepumpe besser ab als herkömmliche Kompressionswärmepumpen oder Holzheizungen.

Ihre Ergebnisse sehen die Forschenden als Entscheidungshilfe für die Industrie und für Förderinstitutionen in Energiesektor. «Das Potenzial dieser weiterentwickelten Adsorptionswärmepumpe ist riesig», lautet das Fazit von Projektleiter Bruno Michel. Die Berechnungen zeigen: Würden in der Schweiz schon nur die vier im Projekt geprüften Szenarien bis 2040 umgesetzt, würde sich der Stromverbrauch fürs Heizen und Kühlen um bis zu neun Prozent verringern. Die CO2-Emissionen würden um rund fünf Prozent sinken – das entspricht einer Million Tonnen CO2, die nicht in die Atmosphäre ausgestossen würden.

Kontakt und Team

Dr. Bruno Michel

IBM Research GmbH
Säumerstrasse 4
8803 Rüschlikon

+41 44 724 86 48
bmi@zurich.ibm.com

Dr. Elimar Frank

Frank Energie GmbH
Herrenberg 35
8640 Rapperswil SG

+41 79 915 13 01
elimar.frank@frank-energy.com

Paul Gantenbein

Andreas Häberle

Bruno Michel

Projektleiter

Elimar Frank

Patrick Ruch

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