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Ein neuer Transformator für das Schweizer Stromnetz der Zukunft

In Zukunft werden viele dezentrale erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Photovoltaikanlagen Strom ins Netz einspeisen. Um das Netz vor Überlastung zu schützen und ausreichende Effizienz zu gewährleisten, benötigt es neue Transformatoren.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «SwiSS' Halbleiterbasierter SiC-Trafo».
Das Stromnetz der Zukunft muss neuen Herausforderungen gewachsen sein – insbesondere die schwankende Einspeisung von elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen macht neue Bauteile notwendig.
Das Stromnetz der Zukunft muss neuen Herausforderungen gewachsen sein – insbesondere die schwankende Einspeisung von elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen macht neue Bauteile notwendig. Pixabay
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Erneuerbare Energiequellen speisen unregelmässig Strom ins Netz.
  • Zum Beispiel droht der eingespeiste Strom aus Photovoltaikanlagen um die sonnige Mittagszeit das Stromnetz zu destabilisieren.
  • Neue elektronische Transformatoren auf Basis von Siliziumkarbid könnten dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.

Keine Energie mehr aus Kernkraft, dafür aus erneuerbaren Stromquellen – dies die Kürzestfassung der Energiestrategie 2050. Was schnell gesagt ist, hat jedoch Auswirkungen auf die wohl grösste Infrastruktur der Schweiz: Das Stromnetz. Mit vielen zusätzlichen Photovoltaik- und Windkraftanlagen wird sich die Dynamik im Schweizer Stromnetz komplett verändern. Wo früher wenige zentrale Kraftwerke die gesamte Energie bereitgestellt hatten, speisen in Zukunft hunderttausende von Kleinproduzenten Strom ins Netz ein.

Das bringt zwei Probleme im Stromnetz mit sich. Erstens drohte dem Netz in seiner heutigen Form Überlastung durch Überspannung – gerade in der Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten steht und viele Photovoltaikanlagen überschüssige Energie ins Netz einspeisen. Zweitens sind die heutigen lokalen Verteilnetze, z.B. von Wohngebieten, nicht darauf vorbereitet, mit den grösseren Spannungsschwankungen wegen der schwankenden Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen umzugehen.

Kleines Bauteil mit wichtiger Aufgabe

Beide Probleme lassen sich auf ein ganz bestimmtes Bauteil zurückführen: den Transformator. Dieser hat die Aufgabe, hohe Spannungen in tiefe umzuwandeln – oder umgekehrt. Auf dem Weg von den Kraftwerken bis zu den Haushalten wird so die Spannung über tausendfach gesenkt: Von 380 000 Volt am Anfang auf 230 Volt, die Wasserkocher, Föhn und Staubsauger in unseren Häusern benötigen.

Die Transformatoren bestehen heute wie noch vor 100 Jahren aus Kupfer und Eisen. Über Spulen mit unterschiedlich vielen Wicklungen wandeln Transformatoren den elektrischen Strom von hohen auf tiefe Spannungen, bei einem fixen Spannungsverhältnis. Die schwankende Einspeisung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen kann durch diese traditionellen, unflexiblen Bauteile nicht kompensiert werden – und somit die Spannung im Stromnetz destabilisiert werden.

Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht es neue, flexiblere Transformatoren. Diese müssen dabei mindestens genauso effizient als auch zuverlässig sein wie die herkömmlichen Modelle.

Neues Material, neue Möglichkeiten

Solche flexible Transformatoren sind elektronisch gesteuert. Die hierfür am besten geeigneten Materialien sind Halbleiter aus Siliziumkarbid (SiC), da mit ihnen eine hohe Effizienz erreicht wird. Elektronische Transformatoren auf Basis dieses noch wenig erforschten Materials haben das Potenzial, die hohen Anforderungen an Flexibilität, hohen Wirkungsgrad und hohe Schaltgeschwindigkeit zu erfüllen, die das Netz der Zukunft mit sich bringen wird.

Um zuverlässige, energie- und kosteneffiziente Systeme zu etablieren, müssen allerdings das neuartige Material, seine Funktionsweise sowie industrielle Herstellungsprozesse gründlich erforscht und charakterisiert werden.

Dies war das Ziel des Verbundprojekts «SwiSS Transformer». Insgesamt erforscht das Projekt vier Aspekte:

Teilprojekt 1. Materialbezogene Grundlagen.

Um effiziente und zuverlässige Leistungshalbleiterbauelemente auf Siliziumkarbid-Basis herstellen zu können, müssen die Eigenschaften des Materials – sowie mögliche Probleme bei der Herstellung – genau verstanden werden. Dabei kommen die Grossgeräte des Paul-Scherrer-Instituts wie Synchrotron- und Muon-Spektrometer zum Einsatz. Mit ihnen analysierten die Forschenden thermisch gewachsene Siliziumdioxid-Schichten und die Siliziumdioxid-Siliziumkarbid-Grenzfläche. Dabei stellten sie fest, dass die Eigenschaften der gewachsenen Oxide stark von den Eigenschaften der ursprünglichen SiC-Oberfläche abhängen.

Teilprojekt 2. Entwicklung eines passiven Kühlsystems.

Die neuen Leistungselektronik-Bauteile werden im Betrieb heiss und müssen gekühlt werden. Eine Forschungsgruppe der EPFL in Lausanne hat dafür ein effizientes Kühlsystem entwickelt, das ohne Lüfter oder Pumpen auskommt und selbst keinen Strom verbraucht. Dazu konstruierten die Forschenden einen sogenannten Thermosiphon – ein geschlossenes System, auf dessen einen Seite sich die Bauteile der Leistungselektronik befinden, die gekühlt werden sollen. Auf der anderen Seite befindet sich die Aussenluft, an die die Wärme abgegeben wird. Ein Kältemittel leitet die Wärme von der einen Seite auf die andere ab.

Teilprojekt 3. Entwicklung und Realisierung eines Transformators mit der neuen Siliziumkarbid-Technologie.

Forschende der ETH Zürich entwickelten und testeten einen Prototyp für einen auf Siliziumkarbid basierenden Transformator. Der Wechselstrom-Gleichstrom-Wandler von 3'800 Volt auf 400 Volt erreicht einen Volllastwirkungsgrad von 99 Prozent und eine Leistungsdichte von 3,8 Kilowatt pro Liter (kW/L). Im Vergleich zu bestehenden Systemen werden nur die Hälfte der Verluste erzeugt und der Wandler ist doppelt so klein.

Teilprojekt 4. Untersuchung der möglichen Anwendung von SiC-basierten Transformatoren im Stromnetz im Rahmen der Energiestrategie 2050.

Insbesondere die Auswirkungen der neuen Technologie auf die gesamte Netzstabilität und ökologische Nachhaltigkeit untersuchte ein Team von Forschenden der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Die Resultate zeigten, dass mit den neuartigen Transformatoren Photovoltaikanlagen mit einer gesamten Produktionsleistung, die sogar über die Ziele der Schweizer Energiestrategie 2050 hinausgeht, in das untersuchte Verteilnetz integrieren können.

Das Verbundprojekt zeigt, dass das neue Halbleitermaterial Siliziumkarbid das Potenzial hat, die Effizienz von Leistungselektroniksystemen zu verbessern. Weitere Forschungsarbeiten sind aber notwendig, um das volle Potenzial in Bezug auf Effizienz und Zuverlässigkeit zu erschliessen.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Nicola Schulz

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Hochschule für Technik
Klosterzelgstrasse 2
5210 Windisch

+41 56 202 75 73
nicola.schulz@fhnw.ch

Nicola Schulz

Projektleiter

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 22.05.2019 ab.