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Mit roten Modulen der Sonne entgegen

Eigentlich ist alles vorhanden: technische Lösungen für den Einbau von Solarmodulen in Fassaden und auch die Bereitschaft möglicher Anwender, dafür mehr zu bezahlen. Doch damit die gebäudeintegrierte Photovoltaik ihren Beitrag an die Energiestrategie 2050 leisten kann, fehlt es noch an der Akzeptanz der Bauherrschaften. Und am Know-how der Architekten.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Überwindung der Widerstände gegen PV». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Gebäude-integrierte Photovoltaik».
Solarpanels gibt es nicht nur in schwarz oder dunkelblau. Die technischen Errungenschaften kommen in der Bevölkerung an.
Solarpanels gibt es nicht nur in schwarz oder dunkelblau. Die technischen Errungenschaften kommen in der Bevölkerung an. P. Heinstein
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die gebäudeintegrierte Photovoltaik (GiPV) ist in der Schweiz noch wenig verbreitet.
  • Viele Eigenheimbesitzer würden diese neuartigen Solarfassaden begrüssen.
  • Den Durchbruch könnten Leuchtturmprojekte von Städten bringen, die offen sind für GiPV.

In der Schweiz gibt es über 84’000 Photovoltaikanlagen. Die Photovoltaikmodule sind häufig auf Dächern und in einem definierten Winkel montiert, der die optimale Energieausbeute gewährleistet. Diese montierten Module werden als BAPV (Building Attached Photovoltaics – am Gebäude befestigte Solarmodule) bezeichnet, und sie dienen einzig und allein der Umwandlung des Sonnenlichts in elektrischen Strom. Im Unterschied dazu können Elemente der Photovoltaik (PV) auch in Teile des Gebäudes – zum Beispiel ins Dach oder in die Fassade – integriert werden. Diese sogenannte gebäudeintegrierte Photovoltaik, kurz GiPV, hat neben der Stromproduktion zusätzlichen Nutzen. Die Module sind gestalterische Elemente der Gebäude und können zum Beispiel zur Wärme- und Schalldämmung oder Umlenkung des Lichts verwendet werden.

Nur jedes siebte Solarmodul ist ins Gebäude integriert

Experten sind sich einig: Würden Fassaden und Dächer von Gebäuden im Rahmen von Sanierungsprojekten vermehrt mit GiPV aufgewertet, ergäbe sich ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der Energiestrategie 2050.

Jedoch fristet diese Art von Solarmodulen zurzeit ein Schattendasein. Gebäudeintegrierte Photovoltaik stellt in der Schweiz gerade einmal 15 Prozent aller PV-Module. Warum die GiPV hierzulande einen so schweren Stand hat und wie sich dies ändern liesse, hat die Forschungsgruppe von Rolf Wüstenhagen untersucht. Er ist Professor für Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen.

Interesse wäre vorhanden

Die Wissenschaftler befragten in einer repräsentativen Stichprobe Hausbesitzer, die eine Dachsanierung planen. Eines der Resultate zeigt, dass GiPV eigentlich beliebt wäre: Über die Hälfte der Befragten können sich bei einer Dachsanierung vorstellen, gebäudeintegrierte Photovoltaik einzusetzen. Sie wären sogar bereit, für eine integrierte Lösung durchschnittlich 22 Prozent mehr zu bezahlen als für herkömmliche Solarmodule auf dem Dach.

Im Rahmen von Wahlexperimenten wurden Eigenheimbesitzer gebeten, sich wiederholt zwischen verschiedenen Varianten einer Dachrenovation zu entscheiden. Dabei wurden die Eigenschaften des Angebots systematisch variiert. Zur Auswahl standen einerseits konventionelle Auf-Dach-Anlagen im Vergleich zu integrierten Modulen, andererseits wurde so auch der Einfluss von Preis, Farbe und Herkunftsländern der Module untersucht.

Rot ist das neue Blau

Traditionell waren Solarmodule dunkelblau oder schwarz. Forscher der EPFL haben jedoch auch farbige Module entwickelt, was neue architektonische Möglichkeiten eröffnet. Die befragten Hausbesitzer zeigten sich interessiert an farbigen Modulen, wobei insbesondere rote Module besser abschnitten als das klassische Blau. Wüstenhagen erklärt sich dies mit der besseren Integration ins Stadtbild, welches in der Schweiz oft von roten Dächern geprägt sei. Seine Hoffnung ist, dass dank der neuen technischen Entwicklungen auch Bewegung in die Diskussion um Gestaltungspläne von Gemeinden oder den Heimatschutz kommt, die bisweilen ein Hindernis für renovationswillige Hausbesitzer darstellen.

Die Nachbarschaft als Vorbild

Bei Liegenschaften, wo der Denkmalschutz oder die Gemeinde keine Einwände anbringen, trifft man die gebäudeintegrierte Photovoltaik dafür immer häufiger an. Die höheren Installationskosten schrecken die Besitzer anscheinend nicht so stark ab. Gemäss Wüstenhagen reagieren die Hausbesitzer positiv auf Steuererleichterungen. Sein Team konnte aber auch noch andere Faktoren identifizieren, die den Entscheid zugunsten der GiPV beeinflussen. Zum Beispiel den Nachahmungseffekt. Befinden sich an einem Haus Solarmodule, beeinflusst das die Entscheidung von Nachbarn, Freunden und Familienmitgliedern. Einen Nachahmungseffekt bewirken auch wichtige öffentliche Gebäude. Sie sollten daher vermehrt mit GiPV ausgerüstet werden, denn Eigenheimbesitzer orientierten sich an solchen Leuchtturmprojekten.

Der Wissenschaftler schlägt verschiedene Lösungen vor, die der GiPV zum Durchbruch verhelfen könnten. Das beginnt bereits bei der Baugenehmigung: Wüstenhagen plädiert unter anderem für die entscheidende Reduktion des bürokratischen Aufwands. Weiter sollte die gebäudeintegrierte Photovoltaik innerhalb des Architekturstudiums behandelt werden – zurzeit sei das noch zu selten der Fall. Wüstenhagens Bericht schlägt auch vor, dass diese neue Bauweise in Aufklärungskampagnen für die Immobilienbranche thematisiert wird.

Finanznot als Chance

Noch zu viele Hausbesitzer schrecken aber vor den Baukosten von GiPV-Anlagen zurück. Diese fallen – wie oben erwähnt – deutlich höher aus als bei normalen Gebäudefassaden. Hier müsste man bei finanziellen Überlegungen mehr die finanzielle Einsparung durch die energetische Sanierung betonen. Und könnten Eigenheimbesitzer von günstigen Hypotheken für GiPV-Fassaden profitieren, würden sich diese – so die Schlussfolgerung des Projekts – in der Schweiz schneller verbreiten.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen

IWÖ-HSG
Büro 50-106
Tigerbergstrasse 2
9000 St. Gallen

+41 71 224 25 87
rolf.wuestenhagen@unisg.ch

Rolf Wüstenhagen

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 13.06.2019 ab.