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Schöner Strom: Bunte Photovoltaikanlagen sollen Ausbau der Solarenergie vorantreiben

Im Jahr 2050 soll Solarstrom die Kernkraft abgelöst haben, doch momentan geht der Ausbau von Photovoltaik nur schleppend voran. Das liegt unter anderem daran, dass blau-schwarz zugepflasterte Dächer und Fassaden als hässlich wahrgenommen werden. Forschende der Hochschule Luzern haben nun einen Weg gefunden, Photovoltaik-Module mit bunten Farben und Mustern zu bedrucken. Das macht sie zwar ein bisschen weniger effizient, aber dafür viel attraktiver für einen grossflächigen Einsatz.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Standards für PV». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Gebäude-integrierte Photovoltaik».
Am Wohnhaus «Solaris» in Zürich deckt die Fassade aus bedruckten Photovoltaikzellen den Strombedarf der Mieter.
Am Wohnhaus «Solaris» in Zürich deckt die Fassade aus bedruckten Photovoltaikzellen den Strombedarf der Mieter. Beat Bühler
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, den Anteil des Stroms aus Photovoltaik (PV) von derzeit gut zwei auf 20 Prozent zu steigern. Doch der Ausbau geht schleppend voran.
  • Denn: Photovoltaik-Anlagen schimmern meist in einheitlichem Blauschwarz. Das hält Architekten davon ab, sie grossflächig an Hausfassaden einzusetzen.
  • Nun sollen bunte und gemusterte PV-Zellen das Problem lösen: Sie sehen schön aus und produzieren dennoch Strom. Erste Gebäude, die sie nutzen gibt es schon.

Am Ufer des Zürichsees, unweit des Stadtzentrums steht das Wohnhaus Solaris, dessen terrakottafarbene Fassade im Sonnenlicht glitzert. Das ist nicht nur ein reizvolles Stilelement, das an die Lichtreflexe auf dem See erinnern soll, sondern die Fassade produziert auch noch Strom. Dies ist möglich, weil sie aus 1 300 einzelnen Photovoltaik-Zellen besteht, die hinter bedrucktem Glas, also sozusagen im Verborgenen Sonnenenergie in Strom umwandeln. So produziert das Haus im Jahr 40 000 Kilowattstunden Strom und deckt damit komplett seinen eigenen Energiebedarf.

Die neuartigen PV-Module haben Stephen Wittkopf und sein Team von der Hochschule Luzern mitentwickelt. Die Glasflächen dieser PV-Zellen werden mittels digitalen keramischen Farbdruckes bedruckt, wobei sich auch Muster gestalten lassen.

Mit Mustern bedruckte PV-Module.
Mit Mustern bedruckte PV-Module. Stephen Wittkopf

Das Ergebnis ergibt sich einerseits durch die transparente Farbe des bedruckten Glases und die dunkle Tönung der darunterlegenden Solarzelle. Weil sich die Druckfarbe und die gewünschte Zielfarbe unterscheiden, optimierten die Forschenden der Hochschule Luzern die Farbeinstellungen, damit die gewünschte elektrische Leistung erzeugt werden kann. Denn sie war bei den ersten konventionell erstellten PV-Module viel zu niedrig.

Effizienz sinkt

Ein Problem ist, dass das bedruckte Glas die Solarzellen abdunkelt, wodurch sie weniger Sonnenlicht in Strom umwandeln. Ihre Effizienz sinkt. Andererseits absorbiert die dunkle Fläche aber auch mehr Licht. So stellen die bedruckten PV-Module im Schnitt um die 20 Prozent weniger Strom her als ihre herkömmlichen Pendants.

Was man an Effizienz einbüsst, gewinnt man allerdings an Ästhetik. Denn der blauschwarze Techno-Look von Fassaden, die mit Solarzellen eingekleidet sind, hält Architekten, Denkmalschutz und Anwohner davon ab, diese so grossflächig einzusetzen oder zu akzeptieren, wie es sein müsste. Denn die Energiestrategie 2050 sieht zwar vor, dass 20 Prozent des Schweizer Strombedarfs durch Photovoltaik gedeckt werden sollen. Aber derzeit kommen nur gerade zwei Prozent unseres Stroms aus Photovoltaikanlagen. Da diese gemäss Raumplanungsgesetzt nicht als grossflächige Kraftwerke in der Landschaft stehen dürfen, müssen sie an Gebäuden installiert sein. Installationen nur auf Dächern reichen nicht aus und bringen zudem nur eine typische Stromspitze zur Mittagszeit, während in den meisten Häusern auch morgens und abends Bedarf an Strom besteht, wie er mit Installationen an nicht beschatteten Ost und West Fassaden möglich ist. Die bedruckten PV-Module, sollen es Architekten erleichtern, sich für eine Solar-Fassade, ähnlich der des Solaris-Hauses, zu entscheiden.

Fast schon marktreif

Am Treppenturm der Umweltarena in Spreitenbach sind PV-Module installiert, die mit Kantonswappen bedruckt sind.
Am Treppenturm der Umweltarena in Spreitenbach sind PV-Module installiert, die mit Kantonswappen bedruckt sind. Stephen Wittkopf

Die Forschenden dieses Projektes um Stephen Wittkopf haben nicht nur Prototypen der bedruckten PV-Module hergestellt, sondern sie haben ihre Erfindung fast bis zur Marktreife entwickelt. Dazu haben sie drei Patente angemeldet, die bedruckten PV-Zellen aufwendig gemäss Industrie-Standards mit Hilfe der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) zertifizieren lassen und zusammen mit dem Technologietransferunternehmen Überhuus Pilot- und Testanlagen aufgestellt, etwa die mit Schweizer Kantonswappen bedruckte Solarfassade «Swissness» am Treppenturm der Umweltarena in Spreitenbach. Die Firma Glas Trösch vertreibt bereits das vielfarbig bedruckte Glas unter dem Namen «Swisspanel Solar».

Neben der Entwicklung des Prototyps ersannen die Forschenden auch Methoden, um die Wirkung von Photovoltaikanlagen an Fassaden so objektiv wie möglich messen zu können. Dies ist wichtig, wenn etwa an der Fassade eines denkmalgeschützten Hauses PV-Module angebracht werden sollen. Am Beispiel der historischen Villa Seerose in Horgen am Zürichsee erstellten die Forschenden Computer-Simulationen mit und ohne PV-Module. Mit einer speziellen Bildverarbeitungsmethode analysierten sie die beiden Fassaden und konnten so festzustellen, wie unterschiedlich diese den menschlichen Blick anziehen. So ist es möglich, objektiv einzuschätzen, wie Photovoltaikanlagen angebracht oder bedruckt sein müssen, um den Anblick wertvoller Gebäude so wenig wie möglich zu stören.

Blendeffekte vermeiden

Aber es geht nicht nur um Optik. Wände, die mit herkömmlichen PV-Module zugepflastert sind, haben noch ein anderes Problem: Sie blenden. Auch darum finden sie bei Anwohnern und Bauherren eher wenig Akzeptanz. Hierfür entwickelten die Forschenden des Projektes ebenfalls eine Computer-Simulation: Sie erstellten ein 3D-Modell der Umgebung einer Kirche in Luzern, und berechneten, wie diese Umgebung durch Blendeffekte beeinträchtigt würde, wenn auf den grossen Dächern eine Solaranlage angebracht würde. Anhand von Wetterdaten und Messungen der Reflexionseigenschaften verschiedener Glastypen, die in PV-Modulen gebraucht werden, simulierten Wittkopf und sein Team wie sich Sonnenstrahlen im Verlauf eines Jahres an der Photovoltaik-Fassade brechen würden und wo sie störende Reflexionen erzeugen würden. Auch dieses Modell soll helfen, zu entscheiden, ob und wie Solarzellen in bestehende Gebäude integriert werden können.

Will man PV-Module für Fassaden von Neubauten wie das Solaris-Haus nutzen, so macht das die Häuser nicht automatisch «grün». Denn erst einmal kostet es Energie ein Bauwerk hochzuziehen. Um diese wieder reinzuholen, geht bei PV-Modulen eine bestimmte Zeitspanne ihrer 30-jährigen Lebensdauer drauf. Wie gross diese Zeitspanne ist, haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) berechnet: 8 Jahre, wenn die bunten PV-Module auf einer Süd-Fassade angebracht sind. Wenn die PV-Module existierende Fassadenelemente ersetzten, dann sind es nur fünf Jahre. Das heisst im besten Fall erwirtschaften, die farbigen Photovoltaikanlagen über 25 Jahre ein Energieüberschuss.

Die bunten PV-Module haben schon das höchste «Technology Readiness Level» erreicht, das heisst, sie könnten bald in grossen industriellen Mass eingeführt werden und am Markt bestehen. Ob das funktioniert, hängt allerdings auch von den politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Diese haben die Forschenden im Rahmen ihres Projektes ebenfalls untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» die Anwendung von Gebäude-integrierten Photovoltaikanlagen grundsätzlich fördern. Zudem wird deren Anwendung an Fassaden durch Labels wie «Minergie-A» und «Plusenergy» unterstützt. Allerdings sind diese Standards freiwillig und können daher nicht wirklich beeinflussen – so bewerten es die Forschenden – ob PV-Module an Fassaden tatsächlich vermehrt zum Einsatz kommen, so wie es nötig wäre, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen.

Kontakt und Team

Dr. Stephen Wittkopf

Technik & Architektur
Hochschule Luzern
Technikumstrasse 21
Raum F503
6048 Horw

+41 41 349 36 25
stephen.wittkopf@hslu.ch

Roland Schregle

Stephen Wittkopf

Projektleiter

Ran Xu

Christian Roeske

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.