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Wie gesund ist ein Gebäude oder eine Brücke?

Würden Bauwerke mittels Sensoren überwacht, liessen sich diese gezielter – kosteneffektiver und umweltschonender – sanieren. Auch ihre Nutzungsdauer könnte sich verlängern.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Monitoring von Betonkonstruktionen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Energiearmer Beton».
Die Chillon-Brücke wurde mit ultrahochfestem, faserbewehrtem Beton saniert.
Die Chillon-Brücke wurde mit ultrahochfestem, faserbewehrtem Beton saniert. Eleni Chatzi
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Monitoring würde helfen, Gebäude und Brücken erst dann zu erneuern, wenn sie auch wirklich renovierungsbedürftig sind.
  • Die gewonnenen Daten könnten dazu genutzt werden, kritische Stellen an Bauwerken zu finden und dort gezielt Instandhaltungsarbeiten durchzuführen.
  • Ein Material, das für solche zielgerichteten Verstärkungen ideal geeignet wäre, ist ultrahochfester faserbewehrter Beton (UHFB).

Der Bau neuer Infrastrukturanlagen ist energieintensiv und verursacht erhöhte CO2-Emissionen – allein schon durch die Produktion der gängigen Baustoffe wie Stahl und Beton. Die Nutzungsdauer von Infrastrukturen ist je nach Bauweise mehr oder weniger begrenzt: Zum Beispiel haben Brücken in der Schweiz eine Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren. Dann werden sie standardmässig ausser Betrieb genommen – ob das Bauwerk länger gehalten hätte, weiss man oft nicht. Deshalb haben Forschende der ETH Zürich und Lausanne den Einsatz eines Monitoring-Systems an Schweizer Bauwerken getestet. Diese Vorgehensweise ist zukunftsweisend und umweltfreundlich, denn sie verhindert Abriss, verfrühtes Neubauen und Entsorgung von Bauschutt.

Ausschlaggebend ist aber, dass Gebäude und Brücken gezielter verstärkt werden können, wenn sie mit Sensoren ausgerüstet sind, welche Informationen über Kräfte, Verformungen und Schwingungen sammeln. Dies nennt sich strukturelle Zustandsüberwachung. Sensoren messen hierbei die Reaktion und Leistung von Strukturen während des Betriebs, mit dem Ziel, ihren Zustand zu diagnostizieren und Fehler automatisiert vorherzusagen. Hierfür werden Zeitreihenanalysen und Maschinenlernen eingesetzt. Die Installation von Sensoren ermöglicht also, die Infrastruktur wahrnehmungsfähig zu machen.

Bei ihren Untersuchungen haben die Forschenden insbesondere die Eigenschaften und Handhabbarkeit von ultrahochfestem faserbewehrtem Beton (UHFB) geprüft. Dieser ist im Vergleich zu normalem Beton einfach in der Anwendung, sehr belastbar und beständig. Deshalb eignet er sich auch besonders, um gezielte Stellen im Bauwerk punktuell zu verstärken. Um das Monitoring sowie den Einsatz von UHFB zu testen, haben die Forschenden drei Bauwerke untersucht.

Das Chillon-Viadukt

Im Jahr 2014 wurden am Chillon-Viadukt, einer zwei Kilometer langen Betonbrücke im Kanton Waadt, Schäden entdeckt. Um das Bauwerk an den betroffenen Stellen zu verstärken, wurde eine 45 Millimeter dicke Schicht aus UHFB auf den ursprünglichen Beton gegossen. Danach wurde die Brücke mit Sensoren versehen und in einer ersten Phase drei Monate lang überwacht. Gemessen wurden Verformungen und Schwingungen infolge des Strassenverkehrs und der Umwelteinflüsse sowie Mikro-Schäden im Material. Das Monitoring wird weiter geführt, um Aussagen über die Langzeitverhalten zu erlangen. Daraus konnten die Forschenden wichtige Erkenntnisse gewinnen: So traten in den warmen Monaten an der Brücke mehr Minimalschäden auf als in kalten Monaten. Auch spielte die Nutzung der Brücke eine wichtige Rolle: Während der Stosszeiten kam es zu mehr Schäden als ausserhalb dieser Stunden. Vor allem aber kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass das Betonbauwerk die Strassenlasten sicher aufnehmen kann und die UHFB-Verstärkung die Nutzungsdauer der Brücke verlängert und ihre Belastbarkeit vergrössert hatte.

Die Buna-Brücke

Die Buna-Brücke in Kroatien war seit 1893 Teil des kroatischen Eisenbahnnetzes. Im Jahr 2010 aber wurde das neun Meter lange Bauwerk stillgelegt. Die Forschenden der ETH Zürich untersuchten die Brücke mit Hilfe von Messungen und verstärkten sie mit einer UHFB-Platte. Hierfür zerlegten sie die Brücke und transportierten sie ins Labor, um jeweils vor und nach der Renovierung mögliche Schwachstellen in der Konstruktion zu eruieren. Die Tests ergaben, dass die Brücke noch stark und sicher genug wäre, um weiterhin Züge zu tragen. Berechnungen zeigten zudem, dass die Nutzungsdauer der Brücke durch die Verstärkung mit UHFB noch zusätzlich um mindestens 40 Jahre erweitert werden kann.

Das Du-Pont-Haus

Das Du-Pont-Haus ist ein achtstöckiger Bau aus dem Jahr 1913, der im Herzen von Zürich steht. Das Haus muss modernisiert werden – was sich allerdings als schwierig herausstellt, weil es unter Denkmalschutz steht: Die Fassade und die Tragestruktur inklusive Decken müssen unangetastet bleiben. Deshalb wurde auch hier der Einsatz einer UHFB-Verstärkung in Betracht gezogen und experimentell getestet. Die Renovationsarbeiten werden ab Frühjahr 2020 ausgeführt.

Umweltfreundlich und kosteneffizient

Die Tests zeigen, dass durch Monitoring der Unterhalt von Gebäuden und Anlagen gezielter und nachhaltiger ist als bei konventionellen Verfahren. Der Baustoff UHFB erweist sich als eine Energie- und CO2- sparende Alternative zu gängigem Beton. Dieses Baumaterial erlaubt es, durch gezielte Verstärkungen die Nutzungsdauer von existierenden Infrastrukturen beträchtlich zu verlängern. Ein neuer CO2-Ausstoss und Energieverbrauch für den Abriss eines Bauwerks und die Herstellung der Baustoffe für den Neubau eines Ersatzbauwerks kann damit vermieden werden. Abgesehen von der Energie- und CO2-Effizienz von UHFB bei einer punktuellen Anwendung ist dessen ökonomischer Faktor von grosser Bedeutung: Gemessen am Beispiel der Chillon-Brücke hätte eine Sanierung nach traditionellen Methoden 1000 Franken pro Quadratmeter Brückenfläche gekostet, ein Neubau gar 2000 bis 3000 Franken pro Quadratmeter. Die Verstärkung mit UHFB hingegen kostete nur 300 Franken pro Quadratmeter. Selbst unter Berücksichtigung von Langzeitinstandhaltung und Materialbeständigkeit erweist sich UHFB gegenüber konventionellem Beton als kosteneffizienteres Material. Deshalb empfehlen die Forschenden, vor einer Sanierung oder Modernisierung eine Strukturüberwachung durchzuführen, um den aktuellen Zustand des Bauwerks zu prüfen und zu bewerten. So können effektive und nachhaltige Massnahmen und Bautechnologien eruiert werden – und diese sind darüber hinaus noch umweltfreundlich.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Eleni Chatzi

ETH Zürich
Department of Civil, Env. and Geomatic Engineering
Stefano-Franscini-Platz 5
8093 Zürich

+41 44 633 67 55
[chatzi@ibk.baug.ethz.ch](mailto: chatzi@ibk.baug.ethz.ch)

Eleni Chatzi

Eugen Brühwiler

Vasileios Dertimanis

Borja Herraiz

Henar Martin-Sanz

Irina Stipanovic

Konstantinos Tatsis

Dominik Werne

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 17.12.2018 ab.