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Nur Brennbares in die Kehrichtverbrennung

Lohnt es sich finanziell, Kompost separat zu sammeln? Und wie sieht es mit Plastik aus? Solche Fragen haben Forschende untersucht, indem sie die Lebenszykluskosten der Abfallentsorgung in der Schweiz berechnet haben.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Wirtschaftlichkeit der Abfallenergie». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Abfallmanagement als Beitrag zur Energiewende».
Sauberes Trennen von Abfall bei den Verursachern hilft, die Kosten für das Recycling zu senken.
Sauberes Trennen von Abfall bei den Verursachern hilft, die Kosten für das Recycling zu senken. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Erlöse der Entsorgung des Schweizer Siedlungsmülls decken die Kosten nicht. Um die Finanzierung zu sichern, braucht es Gebühren und Subventionen.
  • Auch wenn die Rückgewinnung verschiedener Rohmaterialien wie etwa Plastik nicht gewinnbringend ist, könnte sich die Schweiz das leisten. Plastikrecycling zum Beispiel müsste mit jährlich 3,5 Millionen Franken subventioniert werden.
  • Wichtig ist, dass die Abfälle schon an der Quelle – also in den Haushalten – gut sortiert werden. So kann man die Kosten tief halten.

Wie nachhaltig ist das Schweizer Abfallentsorgungssystem aus wirtschaftlicher Sicht? Dieser Frage widmeten sich Forschende der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Sie untersuchten die Lebenszykluskosten des Siedlungsmülls sowie der industriellen Abfälle. Den Siedlungsmüll teilten sie in verschiedene Abfallkategorien wie Glas, Papier oder Plastik auf, sodass für jede Abfallart ersichtlich ist, in welchem Verhältnis die Kosten zu den Erträgen stehen. Insgesamt zeigen die Resultate, dass die Kosten des Schweizer Entsorgungssystems höher sind als die Erlöse. Aber der Umstand, dass die meisten Entsorgungsunternehmen bereits seit längerer Zeit im Markt tätig sind, weist gemäss den Forschenden darauf hin, dass versteckte Subventionen – etwa im Sammelsystem – die Wirtschaftlichkeitsrechnungen verzerren. Sie halten fest, dass langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit nur erreicht werden kann, wenn die Erträge die Kosten decken.

Was lohnt sich zu recyceln?

Die Analyse der Lebenszykluskosten des Abfallentsorgungssystems ermöglicht es, Aussagen über die Wirtschaftlichkeit des Verbrennens beziehungsweise der Wiederverwertung einzelner Abfallstoffe zu machen. Die Berechnungen zeigen: Die Schweizer Kehrichtverwertungsanlagen (KVA) haben einen Kostendeckungsgrad von ungefähr 100 Prozent. Allerdings ist bloss ein Drittel davon auf dem Markt erwirtschaftet – die restlichen Einnahmen stammen aus Gebühren wie etwa kostenpflichtigen Abfallsäcken.

Anders sieht es bei Bioabfällen aus, wenn sie entweder industriell kompostiert oder vergärt werden: Hier decken die Erlöse nicht einmal die Hälfte der Kosten. Doch weil die Kosten tiefer sind als bei der Verbrennung, lohnt es sich finanziell trotzdem, die Bioabfälle zu vergären oder zu kompostieren. Denn der Brennwert des Grünguts ist tief, so dass es in der KVA deren Effizienz vermindern würde. Darum ist separates Sammeln und Verwerten von Bioabfall aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll.

Das Recycling von Karton hat ein ausgeglichenes Kosten-Ertragsverhältnis. Zwar liegen die Kosten beim Wiederverwerten des Kartons höher als beim Verbrennen in einer KVA, da aber auch die Erträge so hoch sind und darüber hinaus das Kartonrecycling in der Schweiz sehr akzeptiert ist, ist das separate Sammeln und Verwerten von Karton auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Auch beim Recycling von Papier liegen die Kosten zwar über jenen bei der Verbrennung in einer KVA, doch da die Erträge die Kosten decken und das Papiersammeln in der Bevölkerung gut verankert ist, lohnt es sich auch wirtschaftlich gesehen.

Bei der Wiederverwertung von Aluminium und Weissblech sind die Kosten höher als die Gewinne: der Kostendeckungsgrad beträgt nur 70 Prozent. Trotzdem sei es wirtschaftlich sinnvoll, die Metalle separat zu sammeln und zu verwerten. Denn würde man sie in eine KVA werfen, würde man keine Energie daraus gewinnen und das Volumen der Stoffe würde sich nicht reduzieren. Dasselbe gilt auch für Verpackungsglas. Zudem kann das Glas kostendeckend wiederverwertet werden: 90 Prozent der Erträge kommen vom offenen Markt, zehn Prozent stammen aus Quellen wie Gebühren oder Subventionen.

Auch bei der Verbrennung von Plastikresten in Zementwerken wird nur ein Kostendeckungsgrad von knapp 60 Prozent erreicht. Dennoch ergibt dieses Entsorgungsverfahren finanziell betrachtet Sinn, da das Verbrennen in Zementwerken etwas günstiger ist als in einer Kehrichtverbrennungsanlage.

Plastikreste können nicht nur in Zementwerken oder Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt werden – es gibt auch die Möglichkeit, daraus Plastikgranulat herzustellen und so den Stoffkreislauf zu erhalten. Allerdings waren die Kosten dafür in dem von den Forschenden untersuchten Jahr 2012 höher als die Erträge: Bloss 80 Prozent der Kosten können eingenommen werden. Bei diesen Marktbedingungen ist es ökonomisch sinnvoller, das Plastik zu verbrennen – zumal es einen hohen Brennwert hat. Letztlich hängen die Erträge für Plastikgranulat aber vom Preis für Rohöl ab. Wenn dieser also steigt, lohnt sich das Recycling von Plastik ab einem gewissen Grenzwert finanziell, weil das Granulat dann billiger ist als frisches Plastik. Ein anderer Weg zu mehr Recycling-Plastik wäre eine Unterstützung durch den Staat. Gemäss den Forschenden hätte es im Jahr 2012 Subventionen von 3,5 Millionen Franken gebraucht, um ungedeckte Kosten in der Plastikwiederverwertung zu berappen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Unterstützung der Bevölkerung dafür zu finden wäre.

Wie bei den anderen Plastikabfällen wäre es auch bei PET-Flaschen rein ökonomisch gesehen günstiger, das Material zu verbrennen, da die Recyclingkosten höher als die Verbrennungskosten sind. Doch die zwar hohen Recyclingkosten sind zu beinahe 100 Prozent durch die Einnahmen gedeckt; die Wiederverwertung ist also kostendeckend. Ausserdem ist ein Recycling auch im Sinne eines nachhaltigen Stoffkreislaufes.

Um Kehrrichtverbrennungsanlagen möglichst wirtschaftlich zu betreiben, sollten also nur Abfälle mit hohem Brennwert darin landen. Dies ist heute schon zu weiten Teilen der Fall – mit einer Ausnahme: Noch landet zu viel Bioabfall in der Verbrennung. Würde das System für die separate Sammlung verbessert, würde mehr Grüngut kompostiert oder vergärt.

Kosten und Erträge verschiedener Abfallsorten im Vergleich zu der Verbrennung in einer Kehrichtverbrennungsanlage.
Kosten und Erträge verschiedener Abfallsorten im Vergleich zu der Verbrennung in einer Kehrichtverbrennungsanlage. Christoph Hugi

Industrieabfälle

Auch für das Entsorgungssystem der Industrieabfälle berechneten die Forschenden die Lebenszykluskosten – darin berücksichtigten sie Betriebs- und Unterhaltskosten sowie Investitionen und Erträge aus dem Verkauf von Dampf, Rohstoffen und Abfallentsorgung. Die Berechnungen zeigten: Im Jahr 2015 lagen die durchschnittlichen Unterhaltskosten im Entsorgungssystem bei 105 Franken pro Tonne verarbeitetem Müll, die Betriebskosten bei 348 Franken. Auf der Einnahmenseite kamen die Wissenschaftler auf folgende Beträge: Pro Tonne behandeltem Abfall können Entsorgungsfirmen im Mittel 262 Franken verlangen, ein Gigajoule Dampf kostet 20.50 Franken und ein Gigajoule Warmwasser neun Franken.

Diese Werte des Entsorgungssystems der Industrieabfälle waren die Grundlage für andere Projekte im Nationalen Forschungsprogramm 70, die die Müllentsorgung untersuchten. Damit sind sie die Grundlage für ein umfassendes Verständnis und eine Optimierung der Abfallwirtschaft im Sinne der Energiestrategie 2050.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Christoph Hugi

Hochschule für Life Sciences FHNW
Institut für Ecopreneurship
Hofackerstrasse 30
4132 Muttenz

+41 61 228 55 84
christoph.hugi@fhnw.ch

Christoph Hugi

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 17.12.2018 ab.