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Nachgeben können bedeutet Stärke – auch im Stromnetz

Der steigende Anteil von Sonne und Wind an der Energieversorgung belastet das Stromnetz mit Schwankungen in der Stromproduktion. Smarte Geräte könnten diese Schwankungen verbrauchsseitig ausgleichen, doch die Steuerung ist komplex. Forschende der EPFL Lausanne präsentieren nun eine elegante Lösung.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Echtzeitsteuerung von Stromflüssen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Software-basierte Netzsteuerung in Echtzeit».
Mal bläst der Wind, dann wieder nicht – die Schwankungen der erneuerbaren Energien stellen das Stromnetz auf die Probe.
Mal bläst der Wind, dann wieder nicht – die Schwankungen der erneuerbaren Energien stellen das Stromnetz auf die Probe. Adobe Stock/lukasbieri
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die dezentrale Stromproduktion mit der wechselhaften Wind- und Sonnenenergie belastet das Stromnetz.
  • Mit einer angepassten Steuerung von Speicherkapazitäten lässt sich das Stromnetz trotzdem stabil betreiben.
  • Forschende der EPFL haben ein System entwickelt, dass diese komplexe Aufgabe in Echtzeit löst.

Die Energiewende stellt nicht nur die Produktion von Strom vor Herausforderungen, sondern auch das Netz für dessen Verteilung. Denn das Stromnetz wurde gebaut, um Strom von wenigen grossen Kraftwerken an viele kleine Verbraucher zu liefern. Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien gehen aber immer mehr kleine Produzenten ans Netz – die Stromversorgung wird dezentraler. Zudem liefern Windräder und Solarpanels den Strom nicht konstant und berechenbar wie konventionelle Kraftwerke, sondern sind von den Launen der Witterung abhängig. Das führt zu stark schwankenden Stromflüssen im Verteilnetz. Zusätzlich wird die Belastung des Netzes dadurch verstärkt, dass im Zuge der Energiewende auch stromverbrauchende Anwendungen zunehmen, zum Beispiel weil fossil betriebene Heizungen und Autos durch elektrische Systeme abgelöst werden. In der Summe wird es immer anspruchsvoller, sicherzustellen, dass sich Stromproduktion, Verbrauch und Speicherung in jedem Moment die Waage halten – und dies, ohne dass Netzspannung und Stromstärke den zulässigen Bereich überschreiten.

Eine komplexe Aufgabe

Eine Möglichkeit besteht darin, das Netz mit stärkeren Leitungen aufzurüsten, aber das ist eine teure Strategie. Der klügere Ansatz wäre, Speicherkapazitäten zu nutzen, um die Stromschwankungen auszugleichen. Zum Beispiel indem Batterien von Elektroautos dann geladen werden, wenn Stromüberschüsse auftreten. Aber auch strombetriebene Wärmepumpen und Kühlanlagen können als Energiespeicher dienen, indem man ihre Trägheit zum Abpuffern von Stromspitzen nutzt.

Damit die am Netz angeschlossenen Stromquellen, Speicher und anderen Lasten optimal aufeinander abgestimmt werden können, müssen sie ihren Zustand kommunizieren und Anweisungen entgegennehmen können – das Stichwort dazu heisst «Smart Grid». Doch die Aufgabe, die Bestandteile des gesamten Schweizer Stromnetzes zu orchestrieren, erscheint unlösbar komplex. Forschende der EPFL Lausanne haben nun einen Weg gefunden, dieser Komplexität Herr zu werden.

Teile und herrsche

Das Konzept fusst auf zwei Schlüsselideen. Erstens spricht jedes «smarte» Gerät die gleiche Sprache, um zu melden, wieviel Strom es gerade aufnehmen oder abgeben kann. Und zweitens lassen sich die Informationen mehrerer Geräte so zusammenfassen, wie wenn sie ein einzelnes – virtuelles – Gerät beschreiben würden. Mehrere solcher virtueller Geräte werden auf der nächsthöheren Stufe wiederum zu einer Einheit zusammengefasst, und so weiter bis in die oberste Netzebene. Dadurch präsentiert sich jeder Zweig des Stromnetzes gegen aussen gleich – egal ob daran ein einzelnes Gerät, ein Gebäude mit Solarpanels und Wärmepumpe, oder ein umfangreiches Verteilnetz angeschlossen ist.

Mit diesem System teilen die Forschenden die komplexe Aufgabe der Netzsteuerung in eine Kaskade von einfacheren Optimierungsproblemen auf. Diese sehen auf jeder Stufe gleich aus und umfassen immer nur eine beschränkte Anzahl von Komponenten. Computerprozessoren können diese vereinfachte Aufgabe in Echtzeit, das heisst im 100-Millisekunden-Takt, bewältigen.

Smarte Energiewende im Stromnetz ist möglich

Die Lösung, welche die EPFL-Forschenden präsentieren, beweist: Es ist machbar, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich auszubauen – und zwar ohne das Stromnetz grundlegend umzukrempeln. Dieses Wissen ist für die Umsetzung der Energiestrategie von grosser Bedeutung, wie die Forschenden erläutern. Einerseits zeigt es einen konkreten Weg auf, wie grosse Mengen an wechselhaftem Strom mit geringen Kosten ins Stromnetz integriert werden können. Und andererseits wird es möglich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen frühzeitig anzupassen, damit kleine Netzeinheiten einen Beitrag zur Stabilität des gesamten Stromnetzes leisten können.

Kontakt und Team

Prof. Jean-Yves Le Boudec

EPFL IC IINFCOM LCA2
Route Cantonale
INF 016 Station 14
1015 Lausanne

+41 21 693 66 31
jean-yves.leboudec@epfl.ch

Jean-Yves Le Boudec

Projektleiter

Niek Johannes Bouman

Andreas Kettner

Maaz Mohiuddin

Mario Paolone

Wajeb Saab

Enrica Scolari

Eleni Stai

Cong Wang

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.