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Erneuerbare Energien in Kombinationen planen

Um Anlagen zur dezentralen Energieversorgung richtig zu planen, ist es nötig, neben dem Ist-Zustand auch zukünftige technische Entwicklungen miteinzubeziehen. Doch bisher gab es dafür keine allgemein akzeptierte Methode. Nun haben Forschende der ETH Zürich in einer Analyse einen Blick in die Zukunft erneuerbarer Technologien geworfen und darauf aufbauend eine Methodik für deren Planung und Einsatz entwickelt.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Technologie dezentraler Energiesysteme». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Nachhaltige dezentrale Stromerzeugung».
Erneuerbare Energiequellen wie Sonnen- oder Windkraft werden immer wichtiger. Um das Optimum aus ihnen herauszuholen, muss sich Zusammenspiel von Kraftwerken und Speicheranlagen langfristig planen lassen.
Erneuerbare Energiequellen wie Sonnen- oder Windkraft werden immer wichtiger. Um das Optimum aus ihnen herauszuholen, muss sich Zusammenspiel von Kraftwerken und Speicheranlagen langfristig planen lassen. DiyanaDimitrova/iStock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • In Zukunft könnten erneuerbare Energien in sogenannten Multi-Energy-Hubs optimal genutzt werden. Dabei handelt es sich um dezentrale Systeme, welche verschiedene Energieträger – Strom, Wärme, Gas – miteinander verbinden, über kleine Kraftwerke und Energiespeicher.
  • Doch um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Technologien zu planen, müssen auch zukünftige technische Entwicklungen sowie Unsicherheiten in diesen Prognosen möglichst korrekt, aber auch effizient miteinbezogen werden.
  • Nun haben Verfahrenstechniker der ETH Zürich Computermodelle entwickelt, welche die verwendeten Technologien jetzt und in Zukunft abbilden können. Mithilfe dieser Modelle lassen sich Multi-Energy-Hubs im Detail planen und im Betrieb simulieren.

Zusätzlich zu einigen grossen Kraftwerken könnten in Zukunft sogenannte Multi-Energy-Hubs einen beträchtlichen Teil unserer Energie liefern. Dabei handelt es sich um gekoppelte Systeme aus kleinen Kraftwerken und Speicheranlagen. So können etwa Solaranlagen, Windräder, Wärmepumpen, Batterien, Wärmespeicher oder Power-to-Gas-Anlagen miteinander verbunden sowie deren Betrieb koordiniert werden. Ziel dabei ist, erneuerbare Energiequellen möglichst optimal zu nutzen und damit den CO2-Ausstoss zu senken. Doch solche Multi-Energiesysteme aufzubauen oder schon nur zu planen war bisher schwierig, da es dafür nur sehr vereinfachte – und darum ungenaue – Methoden gab.

Das hat einen Grund: «Um die Anlagen richtig zu planen, müssen möglichst auch zukünftige Entwicklungen korrekt miteinbezogen werden», sagt Marco Mazzotti, Professor für Verfahrenstechnik an der ETH Zürich. Und bei solchen Prognosen gibt es viele Unsicherheiten: Wie werden sich die Wetterbedingungen verändern und dementsprechend die Energieausbeuten aus Sonnen- und Windstromanlagen? Wie entwickelt sich die Leistung der technischen Anlagen? Wie die Energiepreise und die Nachfrage nach erneuerbarem Strom, welche dann wiederum die Anschaffungs- und Betriebskosten der Systeme beeinflusst? All diese Fragen muss eine Planungsmethodik für Multi-Energy-Hubs möglichst realistisch beantworten können. Eine solche Methodik hat Mazzotti zusammen mit seinem Forschungsteam entwickelt. Damit lassen sich Multi-Energy-Hubs abbilden und im Betrieb simulieren – und zwar inklusive der zukünftigen Entwicklungen, welche die Systeme beeinflussen.

Dazu haben die Forschenden solche Multi-Energy-Hubs in Computermodellen abgebildet. Im vorliegenden Unterprojekt widmeten sie sich zunächst den technischen Eigenschaften der Systeme: Sie erstellten sogenannte thermoelektrische Modelle aller Anlagen, die in einen Hub integriert werden könnten. Mit solchen Modellen lässt sich das Verhalten der Anlagen abbilden, etwa von Photovoltaikmodulen oder einer Wärmepumpe. Weiter bauten die Forschenden verschiedene prognostizierte Parameter mit ein, beispielsweise Wetterdaten oder Preisentwicklungen. Diese sind nötig, um den Betrieb und die Kosten der Anlagen in zu simulieren.

Höherer Detaillierungsgrad ist nicht immer besser

Auf diese Weise entstanden zunächst sehr komplexe und detaillierte Modelle für die verschiedenen Energiesysteme. Diese Komplexität mussten die ETH-Verfahrenstechniker allerdings wieder reduzieren, um die aufwändigen Berechnungen mit den Computermodellen überhaupt möglich zu machen. Sie verwendeten schliesslich angenäherte Werte, die aber auf den detaillierten Modellen basierten. «Wir haben ein Gleichgewicht gesucht zwischen dem Detailgrad der Modelle und der Unsicherheit in den Prognosen», erklärt Mazzotti. Denn je mehr Details in ein Modell miteinbezogen werden, desto genauer bildet dieses zwar die Realität ab, doch desto mehr Rechenleistung benötigt es auch. Zudem wirkt sich die Unsicherheit in den Prognosen auf lange Sicht stärker aus, je mehr prognostizierte Parameter es im Modell gibt – sodass ein höherer Detailgrad je nachdem sogar zu grösseren Abweichungen innerhalb der Lebensdauer einer Anlage führen kann.

Die passende Detailierungsstufe haben die Forschenden gefunden, indem sie ihre Modelle mit experimentellen Daten aus wissenschaftlichen Publikationen oder von kommerziell erhältlichen Anlagen verglichen haben. So kreierten sie jeweils vereinfachte Modelle für Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke. Dagegen waren komplexere Modelle nötig, um andere Energiesysteme zu beschreiben wie Power-to-Gas-Systeme und Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen.

Strom in Gas umwandeln und zum Heizen nutzen

Gerade Power-to-Gas-Systeme könnten zukünftig ein wichtiger Bestandteil von Multi-Energy-Hubs werden. Sie wandeln elektrische Energie in ein Gas um. Dieses lässt sich langfristig speichern und später beispielsweise zum Heizen verwenden. Darum gelten solche Systeme als vielversprechende Möglichkeit, saisonale Schwankungen aus erneuerbarer Energieproduktion auszugleichen.

Dagegen sind Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen meist dazu da, das Maximum aus konventionellen Heizkraftwerken herauszuholen: Sie sorgen dafür, dass ausser dem produzierten Strom auch die nebenbei entstehende Abwärme genutzt wird. Das Team Mazzotti hat innerhalb seiner Methodik die Mikro-Variante solcher Anlagen modelliert: Gasheizkraftwerke als Strom- und Wärmelieferant für einzelne Wohnhäuser. In diesen kann neben Erdgas auch umweltschonendes Biogas aus Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen verfeuert werden.

Mehr als Technologie

In zwei separaten Unterprojekten haben die ETH-Forscher zudem den Betrieb und die Steuerung von Multi-Energy-Hubs simuliert sowie deren Wirtschaftlichkeit heute und in Zukunft untersucht – und diese Aspekte ebenso in ihre Computermodelle eingebaut.

Diese resultierenden Modelle bilden laut der Forscher nun erstmals eine Methodik, mit der sich die optimale Auslegung von Multi-Energy-Hubs für ganz unterschiedliche Quartiere planen lässt. Mit der sich also ermitteln lässt, wie die jeweiligen Anlagen am besten in eine bestehende Energie-Infrastruktur integriert werden und in welcher Auslastung sie am besten zusammenspielen.

Getestet haben die Forschenden ihre Methodik bisher in zwei Fallstudien, eine im Engadiner Dorf Zernez, eine im Zürcher Stadtteil Altstetten. Für diese beiden Quartiere haben sie jeweils einen Multi-Energy-Hub geplant und dessen Auswirkungen analysiert. Ergebnis: An beiden Orten würde der CO2-Ausstoss beträchtlich sinken, in Zernez gar unter die von der Energiestrategie 2050 festgelegte Grenze.

Als Nächstes wollen die Verfahrenstechniker ihre Methode auf weitere Quartiere anwenden. Im Gespräch ist bereits ein Projekt über den ETH-Campus Hönggerberg.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Marco Mazzotti

Institut für Verfahrenstechnik
ETH Zürich
Sonneggstrasse 3
8092 Zürich

+41 44 632 24 56
marco.mazzotti@ipe.mavt.ethz.ch

Marco Mazzotti

Projektleiter

Rheza Abhari

Ndaona Chokani

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.