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So kann die Wasserkraft in der Schweiz bestehen

Tiefe Strompreise, Wasserzinsen und die Erneuerung der Konzessionen. Die Zukunft der Wasserkraft steckt voller Herausforderungen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Die Zukunft der Schweizer Wasserkraft».
Der Lac d’Émosson im Wallis: Für die Bergkantone ist die Wasserkraft ein wichtiger Industriezweig.
Der Lac d’Émosson im Wallis: Für die Bergkantone ist die Wasserkraft ein wichtiger Industriezweig. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Wasserkraft ist ein wichtiger Pfeiler der Energiestrategie 2050, doch sie steht vor grossen Herausforderungen
  • Forschende der HES-SO Valais/Wallis, der HTW Chur, der Universitäten Basel und Genf, sowie der ZHAW haben nun untersucht, wie sich politische und wirtschaftliche Entwicklungen auf die Energiegewinnung durch Wasserkraft in der Schweiz auswirken – und präsentieren Lösungsvorschläge.
  • Die wichtigste Erkenntnis: Der europäische Strommarkt wird einen grossen Einfluss auf die Nutzung der Wasserkraft in der Schweiz haben. Energie-Unternehmen und die Politik müssen sich darauf einstellen.

Die Wasserkraft gehört zur Schweiz: Mehr als 1000 Anlagen steuern rund 60 Prozent zum Strommix des Landes bei. Die Wasserkraft ist, besonders in den Bergregionen, ein wichtiger Wirtschaftszweig, und ein wichtiger Pfeiler der Energiestrategie 2050.

Doch zurzeit befindet sich die Wasserkraft in einer schwierigen Lage. Die Preise auf dem europäischen Strommarkt sind in den letzten Jahren gesunken. Dazu kommen die zeitgleich auslaufenden Regelungen über die Höhe der Wasserzinsen und auslaufende Konzessionen, die verlängert werden müssen.

Um abschätzen zu können, wie diese Herausforderungen zu meistern sind und welche Rolle die Wasserkraft bei der Energiewende künftig spielen kann, hat ein schweizweites Forschungsteam die Zukunft der Schweizer Wasserkraft unter verschiedenen Gesichtspunkten unter die Lupe genommen.

Eine wichtige Erkenntnis ist: Die Entwicklungen auf dem europäischen Strommarkt werden einen grossen Einfluss auf die Schweizer Wasserkraft haben. Was genau sich in Europa in den nächsten Jahren tun wird, lässt sich aber schlecht abschätzen. Laut den Forschenden müssen sich sowohl Unternehmen als auch Politik diesen Entwicklungen anpassen.

Die Unsicherheiten der Marktentwicklung stellen auch die Investoren vor Herausforderungen. Denn das Geld, das man in die Wasserkraft steckt, holt man oft erst nach mehreren Jahrzehnten wieder zurück. Das hat mit den langen Bauzeiten, hohe Kapitalkosten und langen Lebenszeiten der Kraftwerke zu tun.

Wie sollen Investoren also mit dieser Unsicherheit umgehen? Die Forschenden empfehlen, die Investitionspläne flexibel zu gestalten – ganz nach dem Motto «gross denken, klein handeln». Das heisst: die Option für spätere Ausbauten mitplanen und offenhalten, aber zuerst kleinere Anlagen bauen.

Ein Zankapfel bei der Nutzung der Wasserkraft ist der Wasserzins. Das ist eine Abgabe, die Betreiber von Kraftwerken dem Kanton oder den Gemeinden für das Recht entrichten, ein öffentliches Gewässer zur Erzeugung von Strom zu nutzen. Die Bergkantone, in denen die meisten Kraftwerke stehen, wollen möglichst hohe Zinsen, die Betreiber der Kraftwerke möglichst niedrige.

Die Höhe der Wasserzinsen legen die Kantone fest, aber der Bund setzt ein Maximum. Dieses liegt zurzeit bei 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung. Im März 2019 hat das Parlament beschlossen, dies bis zum Jahr 2024 so beizubehalten. Bis dahin möchte sich die Politik überlegen, wie die Zinsgestaltung in Zukunft aussehen soll.

Nach der Analyse von Gewinnen bei unterschiedlichen Marktentwicklungen und Abgabesystemen kamen die Forschenden zum Schluss: Der Strompreis ist die auch weiterhin die zentrale Grösse, welche über die Profitabilität der Energieunternehmen bestimmt. Bewegt er sich jedoch zwischen 40 und 60 Franken pro Megawattstunde, kann die Höhe der Wasserzinsen den entscheidenden Unterschied zwischen Gewinn und Verlust machen – oder zwischen einem Entscheid für oder gegen eine Investition.

Auch bei der Erneuerung der Konzessionen für Wasserkraftwerke nimmt die Politik Einfluss auf die Entwicklung der Wasserkraft. In den nächsten Jahrzehnten steht eine Erneuerung der meisten Konzessionen an. Ihr Wert beläuft sich insgesamt auf rund 40 Milliarden Franken. Im Moment beträgt die Laufzeit einer Konzession maximal 80 Jahre. Ob das so bleiben wird, ist unter anderem ein Gegenstand der Debatte.

Bei der Gestaltung der Konzessionen und den Wasserzinsen muss die Politik darauf achten, dass die Wasserkraft weiterhin auf dem Markt bestehen kann. Es gilt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die laufenden Veränderungen im Elektrizitätsmarkt anzupassen. Dabei sollte beachtet werden, dass die Betreiber die Möglichkeit behalten, Gewinne zu erzielen und so auf dem Markt bestehen können. Andere Perspektiven, wie etwa die Interessen der konzessionierenden Kantone und Gemeinden, dürfen aber nicht ausser Acht gelassen werden.

Denn die Kraftwerke spielen für die Standortregionen eine wichtige Rolle: Vor allem in den Bergregionen bieten sie Arbeitsplätze und tragen mit den Wasserzinsbeiträgen zur Entwicklung der Regionen bei. Damit die Wasserkraft weiterhin gesellschaftliche Akzeptanz geniesst, ist es deshalb entscheidend, die Bedürfnisse der Lokalbevölkerung angemessen zu berücksichtigen.

Die Wasserkraft steht also in einem Spannungsfeld aus Ansprüchen: den Gewinnzielen der Investoren und Anteilseigner (oft Kantone und Gemeinden), den Energie- und Klimazielen des Bundes, den lokalen Budgetzielen und den nationalen und internationalen Vorschriften. Laut den Forschenden braucht es zwingend eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung, die all diese Aspekte betrachtet, damit eine gute Lösung für alle gefunden werden kann.

Nach einer solchen Nachhaltigkeitsprüfung erhält ein Kraftwerk einen sozialen Nettobarwert. Dieser setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Der private Wert gibt an, wie sehr sich das Kraftwerk finanziell für den Betreiber lohnt. Der externe Wert beziffert die positiven und negativen Auswirkungen des Kraftwerks auf die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt.

Der soziale Nettobarwert erlaubt es Investoren und Kantonen, ihre Entscheidungen von einem gesellschaftlichen Gesichtspunkt zu tätigen. Die Forschenden empfehlen nämlich, in Kraftwerke zu investieren, deren Gesamtwert positiv ist – selbst wenn der private Wert negativ ist. Denn aus der Nachhaltigkeits-Perspektive wäre ein Bau auf jeden Fall ein Gewinn. Egal, wie sich der Markt entwickelt.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Hannes Weigt

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät / Energieökonomie
Universität Basel
Peter Merian-Weg 6
Büro 4.34
4002 Basel

+41 61 207 32 59
hannes.weigt@unibas.ch

Hannes Weigt

Regina Betz

Werner Hediger

Franco Romerio

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