Umfassende Beurteilung
Die Wissenschaftler haben basierend auf der Nachhaltigkeitsbeurteilung des Kantons Bern ein Beurteilungstool für die Wasserkraft erarbeitet. Das daraus entstandene Raster enthält 16 Unterbereiche mit 45 Kriterien und insgesamt 150 Indikatoren, die die Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft messen. In zwei Fallstudien im Tessin (Piottino) und in Graubünden (Lago Bianco) überprüften die Forschenden das Potenzial dieser Methode, die auch die wichtigsten Anspruchsgruppen involviert.
Am Beispiel des Lago Bianco auf dem Berninapass zeigte sich, dass die Bauphase zwar Umweltbelastungen zur Folge hätte, aber gleichzeitig Kapital in die Region fliessen und die Bauarbeiter mit ihren Bedürfnissen die lokale Wirtschaft ankurbeln würden. Auch in der Betriebsphase wirkt sich ein Kraftwerk als Arbeitgeber positiv auf die Wirtschaft aus. Die Beurteilung der Umwelteinflüsse in der Betriebsphase fällt neutral oder positiv aus, denn bereits 2008/2009 fand ein Dialog aller Akteure statt, dank dem alle negativen Umwelteinflüsse entschärft werden konnten. So werden die Beeinträchtigungen während der Bauphase durch Vorteile in der Betriebsphase kompensiert; die Kriterien für die Umsetzung des Projekts gehen über den reinen Strompreis hinaus.
Zur integrierten Nachhaltigkeitsbeurteilung gehört aber nicht nur die Analyse der Auswirkungen, sondern auch der Austausch der Betroffenen – unter anderem Bund, Kanton, Betreiber, Planer, Umweltorganisationen und die lokale Bevölkerung – sowie der Einbezug von deren Bewertungen. Mit einer derart umfassenden Evaluation ist ein breiterer Blick auf ein Wasserkraftprojekt möglich. So ist ein Projekt aus gesellschaftlicher Perspektive dann umsetzungswürdig, wenn die Nachhaltigkeitsbeurteilung insgesamt positiv ausfällt. Dies beinhaltet, dass es rein finanziell betrachtet sogar unprofitabel sein kann.