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Optimierte Kehrichtheizkraftwerke

Die Abfälle der chemischen Industrie müssen bei fast allen Betrieben zu Verbrennungsanlagen gefahren werden – dies ist mit Kosten und negativen Umweltauswirkungen verbunden. Forschende entwickelten deshalb ein mathematisches Modell, um die Entsorgung zu optimieren. Es zeigte sich: Wichtig sind eine vernetzte Planung und Investitionen in die Brennöfen, um die Verbrennung effizienter zu machen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Energie und Stoffe aus Abfall». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Abfallmanagement als Beitrag zur Energiewende».
Berge von Abfall: Mit geeigneten Methoden entsteht daraus Strom und Wärme.
Berge von Abfall: Mit geeigneten Methoden entsteht daraus Strom und Wärme. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Das sogenannte Oxyfuel-Verfahren ist die beste Methode, um Kehrichtheizkraftwerken mehr Kapazität zu verleihen. Dabei wird das Brenngut anstatt mit Luft mit nahezu reinem Sauerstoff verbrannt.
  • Umweltbelastende und gefährliche Abfalltransporte der chemischen Industrie können vermieden werden, wenn verschiedene Kehrichtheizkraftwerke miteinander planen. Dafür könnten sie von CO2-Steuern befreit werden.
  • Der Strombedarf für Stahlrecycling ist abhängig von der Qualität des Schrottes. Hochqualitativer Schrott spart über 40 Prozent Strom gegenüber solchem von minderwertiger Qualität. Deshalb ist eine Vorbehandlung sinnvoll.

Müll ist wertvoll – in Kehrichtheizkraftwerken entsteht daraus Strom und Wärme. Nicht nur die Abfälle aus den Haushalten haben einen hohen Heizwert, sondern auch jene aus der Industrie – zum Beispiel von der pharmazeutischen und der chemischen Industrie. Doch nur wenige dieser Werke in der Schweiz verfügen über eigene Verbrennungsanlagen. Darum müssen zahlreiche Unternehmen ihren mitunter giftigen Müll zu dafür eingerichteten Öfen transportieren, teils auch ins Ausland. Diese Transporte können gefährlich sein, sie verursachen Kosten und belasten die Umwelt. Mit geschickter Planung liessen sich alle diese Faktoren verbessern. Das zeigt ein Forschungsprojekt von Wissenschaftlern der ETH Zürich, das verschiedene Strategien zur Optimierung des Energieverbrauchs im Abfallmanagement untersucht hat. Zusätzlich haben die Wissenschaftler auch den Einfluss der Materialqualität von Stahlschrott auf das Recycling analysiert. Ihr Ziel war, die Energieeffizienz der Müllentsorgung zu verbessern und so zur Energiestrategie 2050 beizutragen.

Mathematische Modelle entwickelt

Als Erstes haben die Forschenden das Energiepotenzial des gesamten flüssigen Sondermülls der chemischen Industrie in der Schweiz berechnet: Dieses beträgt 6,5 Petajoule, wovon 2,5 Petajoule weder in den fünf untersuchten Kehrrichtverbrennungsanlagen (KVA) noch in Zementwerken genutzt wurden. Das entspricht dem Energieinhalt von ungefähr 62 Millionen Kubikmeter Erdgas. Sinnvoll wäre eine Nutzung dieses Potenzials im Inland, denn so würden umweltbelastende Transporte entfallen. Vor allem wären aber auch weniger Hilfsbrennstoffe in KVAs und Zementwerken nötig. Insgesamt könnte mit einer Optimierung der Energieverbrauch durch den Transport und der Verbrauch von Hilfsbrennstoffen also deutlich gesenkt werden.

Nötig ist aber eine vernetzte Betrachtung mit allen Akteuren. Um Entscheidungsgrundlagen für diese zu erstellen, haben die Forschenden mathematische Modelle entwickelt. Diese berücksichtigen mögliche Managemententscheidungen und technische Grenzen wie auch einen Ausbau der Speichermöglichkeiten und der Verbrennungskapazitäten. Um die verschiedenen Strategien miteinander vergleichen zu können, berechneten die Forscher in jedem Modelldurchlauf verschiedene Kennzahlen für Energieverbrauch, Umweltbelastung und Wirtschaftlichkeit. Da die Berechnungen viel Rechenleistung benötigten, führten die Forschenden die Optimierungen im «Swiss National Supercomputing Centre» in Lugano durch.

Mehr Sauerstoff und mehr Zusammenarbeit

Die Resultate zeigten: Wenn alle Kehrichtverbrennungsanlagen optimal miteinander zusammenarbeiten würden, könnten sie acht Prozent mehr Müll verbrennen und in Energie umwandeln. Weitere fünf Prozent mehr würde man gewinnen, wenn die Werke mit dem Oxyfuel-Verfahren aufgerüstet würden. Bei diesem Verfahren wird anstelle von Luft reiner Sauerstoff zum Verbrennen des Abfalls verwendet, wodurch hohe Flammentemperaturen erreicht werden. So kann mehr Abfall verbrannt werden – dadurch sind weniger Transporte nötig. Ausserdem entweichen beim Oxyfuel-Verfahren auch weniger Stickoxide als bei einer herkömmlichen Verbrennung.

Die verschiedenen Modelldurchläufe zeigten, dass dieser Ausbau in allen Strategien die bestmögliche Investition ist. Die Forschenden regen an, dass Investitionen durch eine Befreiung von der CO2-Steuer angekurbelt werden könnten. Darüber hinaus könnten Subventionen für Aufrüstungen mit dem Oxyfuel-Verfahren sinnvoll sein. Für solche Entscheidungen sind die entwickelten mathematischen Modelle eine Grundlage.

Recycling von Stahl

Neben der Optimierung der Müllnetzwerke widmeten sich die Forschenden auch dem Recycling von Stahl, denn dieser kann auch nach der Müllverbrennung aus den Reststoffen gewonnen werden. Wie viel Energie die Wiederaufbereitung des Metalls benötigt, hängt von der Qualität des verwendeten Schrotts ab. Die Wissenschaftler analysierten einen grossen Datensatz aus der Industrie, um die Unterschiede zu beziffern. Dabei zeigte sich: Der Strombedarf für eine Tonne Flüssigstahl variiert zwischen 386 Kilowattstunden bei der Rezyklierung von Stahlblechen und 559 Kilowattstunden bei Stahlresten in der sogenannten Schlacke, also den Überresten der Kehrrichtverbrennung – ein Unterschied von 45 Prozent. Um den Strombedarf zu senken, wäre es deshalb sinnvoll, Stahlschrott von geringer Qualität vorzubehandeln – insbesondere denjenigen aus der Schlacke von Abfallverbrennung. Die Forschenden schreiben, dass so bedeutende Einsparungen im Energieverbrauch gemacht werden könnten.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Konrad Hungerbühler

ETH Zürich
Dep. of Chemistry and Applied Biosc. HCI G 133
Vladimir-Prelog-Weg 1-5/10
8093 Zürich

+41 44 632 60 98
konrad.hungerbuehler@chem.ethz.ch

Konrad Hungerbühler

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 17.12.2018 ab.