Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, den Energieverbrauch zu senken und den Ausbau von erneuerbaren Energien zu fördern. Denn: Der Atomausstieg ist beschlossen und fossile Energieträger setzen zu viel CO2 frei. Sowohl für die Senkung des CO2-Ausstosses wie den Ausbau der erneuerbaren Energien hat das Bundesamt für Energie Zielmarken gesetzt. Diese sind eine Herausforderung für die Stromnetze und bedingen die Umgestaltung des Energiesystems. Eine Chance können hier dezentrale erneuerbare Multi-Energiesysteme (MES) bieten: Systeme also, welche die Energie aus verschiedenen Quellen nutzen und dezentral bereitstellen. Jedes dieser Systeme hätte mehrere «Energy-Hubs», die es Quartieren und Gemeinden erlauben würden, ihren Strombedarf zumindest teilweise selber zu decken.
Nur: Wie lassen sich solche Multi-Energie-Systeme sinnvoll planen? Wie lässt sich zum Beispiel die Struktur der Energieversorgung dezentralisieren? Wo eignet sich Solarkraft besser als Wasserkraft? Welche Speichertechnologie ist am günstigsten?
Diese Fragen beantwortet das Verbundprojekt «Nachhaltige dezentrale Stromversorgung». In diesem Rahmen haben Kristina Orehounig und ihre Kollegen von der ETH-Zürich zwei Fallstudien erstellt und eine detaillierte Methode entwickelt, um dezentrale Multi-Energie-Systeme an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten anzupassen und zu optimieren. Genauer betrachtet wurde das Quartier Altstetten in Zürich sowie das ländlich geprägte Zernez im Kanton Graubünden.
Wer ein Multi-Energie-System planen will, muss wissen, wie viel Energie in seinem Einzugsgebiet überhaupt gebraucht wird. Deshalb untersuchte das Team Orehounig, wie sich der Energiebedarf bei diesen beiden Fallbeispielen bis ins Jahr 2050 verändern wird. Hierfür berechneten sie den gegenwärtigen Energiebedarf durch Elektrizität, Heizung und Warmwasser. Für die Prognose in die Zukunft rechneten sie die jährliche Sanierungsrate von Gebäuden ein, sowie den Temperaturanstieg, der durch den Klimawandel zu erwarten ist.
Wer ein nachhaltiges Multi-Energie-System einsetzen will, muss ausserdem wissen, wie viel Energie die erneuerbaren Quellen im betreffenden Gebiet überhaupt hergeben. Deshalb errechneten die Forschenden In einem zweiten Schritt, um wieviel sich die Produktion erneuerbarer Energien sowohl auf dem Land als auch in der Stadt steigern liesse. Denn so könnte man die Energiegewinnung dezentralisieren, und die Gemeinden könnten zumindest einen Teil ihres Energiebedarfs ohne fossile Energieträger selber decken. Untersucht wurde für Altstetten und Zernez das Potenzial von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern und für Erdwärmepumpen auf den Grundstücken. Weil das Potenzial für grosse Wasserkraftwerke in der Schweiz grösstenteils ausgeschöpft ist, betrachteten die Forschenden zudem den Einsatz eines Kleinwasserkraftwerks mit einer Leistung von 2,3 Megawatt in Zernez. Auch Windkraft wurde einbezogen: Weil die durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten an den beiden verglichenen Orten jedoch niedrig sind, wurde eine Leichtwindanlage simuliert.