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Solarstrom mit dem Nachbarn teilen

Verschiedene erneuerbare Energien mixen, speichern und sie mit der Nachbarschaft teilen – das stösst laut einer Studie bei der Bevölkerung auf Anklang. Offen bleibt, wer solche dezentrale Multienergiesysteme umsetzen und bezahlen würde.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Dezentrale Energiesysteme und Gesellschaft». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Nachhaltige dezentrale Stromerzeugung».
Die Idee, mit seinen Nachbarn erneuerbare Energie zu teilen, kommt bei der Schweizer Bevölkerung gut an.
Die Idee, mit seinen Nachbarn erneuerbare Energie zu teilen, kommt bei der Schweizer Bevölkerung gut an. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • So genannte Multi-Energy-Hub-Systeme (MES) versorgen ganze Quartiere mit Strom und Wärme.
  • MES stossen bei der Bevölkerung auf Anklang, wie eine Studie der ETH Zürich zeigt.
  • Aber die Kostenfrage bremst die Bereitschaft, umzustellen.

Kochen mit Solarstrom, Duschen mit Erdwärme und was an Energie gerade nicht genutzt wird, landet für einen späteren Zeitpunkt in Batterien oder fliesst ganz einfach weiter zum Nachbarn. Statt einzelne Gebäude sollen ganze Quartiere mit erneuerbaren Energien versorgt werden – möglich machen das sogenannte Multi-Energy-Hub-Systeme (MES).

Je nachdem, was vor Ort an Energiequellen verfügbar ist, können die Multienergiesysteme unterschiedlich zusammengesetzt sein: sei dies Windkraft, Photovoltaik oder Wärmepumpen mit Batterien als Energiespeicher. Ein weiterer Bestandteil sind Elektrolyseure, die einen Überschuss an Wind- oder Solarstrom in ein Brenngas wie Wasserstoff umwandeln. Daraus können Brennstoffzellen – wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht – wieder Strom und Wärme produzieren. Dieses Verfahren wird auch Power-to-Gas-Technologie genannt. Weitere Teilmodule eines Multienergiesystems sind erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke – Anlagen, die ihren Brennstoff doppelt nutzen, indem sie gleichzeitig Wärme und Strom erzeugen.

Akzeptanz ist ein wichtiger Treiber

Getestet wurden die dezentralen Multi-Energy-Hub-Systeme im Rahmen des ETH-Verbundprojekts «Integration of sustainable multi-energy-hub systems at neighbourhood scale» (IMES). Relevant waren deren technische, wirtschaftliche und soziale Machbarkeit. Modelle eines MES sind im Rahmen einer Fallstudie bereits in zwei Schweizer Quartieren in Zernez sowie Zürich-Altstetten in Betrieb genommen worden. Hier zeigte sich, dass mit MES aus technologischer Sicht erheblich Energie eingespart werden kann.

Ihr technisches Potenzial ist das eine, ihre Akzeptanz das andere. Die MES-Systeme sind noch in einem frühen Entwicklungsstadium, entsprechend wenig weiss man darüber, wie es um deren gesellschaftliche Akzeptanz steht. Untersucht wurde diese im Rahmen des Teilprojekts «IMES-SE» durch die zwei Umweltsystemwissenschaftler Pius Krütli und Roman Seidl von der ETH Zürich. Konkret wollten sie wissen, wie die MES in der Bevölkerung ankommen und auf welche Herausforderungen man sich gefasst machen muss. Denn die Forschenden sehen gerade die Akzeptanz als wichtigen Treiber, wenn die neuartige Technologie erfolgreich eingesetzt werden soll.

In seiner Erhebung berücksichtigte das Team die Schweiz, Deutschland und Österreich. Daraus leiteten die Forscher für die Schweiz relevante gesellschaftliche Chancen sowie Herausforderungen ab.

Nach einer Literaturrecherche zu MES wurden Interviews mit Zuständigen von Städten und Versorgungsunternehmen sowie mit Experten, die MES-Systeme bereits einsetzen, geführt. Es folgten Umfragen zur Abnahmebereitschaft, Workshops an der Empa Dübendorf und eine räumliche Analyse in der Stadt Zürich.

Positive Einstellung zu MES

Die Umfragen zeigten eine allgemein positive Stimmung und eine potenzielle Akzeptanz von MES. Als mögliche Probleme nannten die Studienteilnehmer – Vermieter und Mieter sowie Experten –Eigentumskonzepte, die Finanzierung, Umsetzungsverantwortung sowie Versorgungssicherheit.

In allen drei Ländern nannten die Befragten Behörden als die für eine Inbetriebnahme verantwortlichen Instanzen. Als wichtige Player gaben sie ausserdem grosse Energieversorgerfirmen an, die für die Finanzierung, Infrastruktur und Kontrolle aufkommen sollten. Genossenschaften und einzelne Haushalte spielten laut Umfrage eine untergeordnete Rolle.

Um zu einer fundierten Meinung zu kommen, genüge reine Information zum MES-Konzept jedoch nicht, so Krütli und Seidl. Genauso wichtig seien Praxisbeispiele und detailliertere Informationen. Darum machten sie das Multienergiesystem im NEST-Gebäude an der Empa in Dübendorf erlebbar. NEST steht für «Next Evolution in Sustainable Building Technologies» und ist ein modulares Forschungs- und Innovationsgebäude der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und des Wasserforschungsinstituts Eawag. Im Testgebäude werden neue Technologien, Materialien und Systeme unter realen Bedingungen erforscht.

Finanzierung als Knackpunkt

Im Rahmen der Studie nahmen an der NEST-Führung Mieter sowie Hauseigentümer teil. Auch hier zeigte sich eine generelle Offenheit gegenüber dem Multi-Energy-Hub-Konzept. Was die Finanzierung anbelangte, waren die Wohneigentümer jedoch skeptischer als die Mieter. Aber bei beiden war die Bereitschaft, für erneuerbare Energien mehr zu bezahlen, eher gering. Aktuell übersteigen die Installations- und Betriebskosten von MES jene von konventionellen Anlagen noch um ein Zwei- bis Dreifaches.

Abschliessend bestimmten die Forschenden für die Stadt Zürich das Potenzial von MES. Demnach eignet sich der Kreis 12 am besten für eine Umsetzung. Dort gibt es vergleichsweise viele Baugenossenschaften bei einer kleinen Dichte an verschiedenen Eigentümern, was sich für eine Umsetzung als ideal erwies.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Dr. Pius Krütli

Dep. Umweltsystemwissenschaften
CHN K 78
Universitätstrasse 16
8092 Zürich
Schweiz

+41 44 632 63 24
+41 44 632 10 29
pius.kruetli@usys.ethz.ch

Pius Krütli

Roman Seidl

Timo von Wirth

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 14.06.2019 ab.