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Tandem-Solarzellen setzen neue Massstäbe für Effizienz

Forschende der ETH Lausanne (EPFL) und der EMPA sind daran, die Grenzen herkömmlicher Solartechnologie zu sprengen. Sie setzen auf sogenannte Tandemzellen, die mit zwei übereinander gelegten Solarzellen das Sonnenlicht effizienter nutzen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Mehrfachsolarzellen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Photovoltaik der nächsten Generation».
Die ideale Ergänzung für jedes Dach – dazu muss die Tandemsolarzelle aus Schweizer Forschung aber noch witterungsbeständiger werden.
Die ideale Ergänzung für jedes Dach – dazu muss die Tandemsolarzelle aus Schweizer Forschung aber noch witterungsbeständiger werden. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Solarzellen mit zwei aktiven Schichten nutzen das Licht besser als herkömmliche Einschichtzellen. Dadurch liefern solche Tandemzellen mehr Strom pro Fläche.
  • Schweizer Forschende kombinieren die technisch ausgereiften Silizium- und Dünnschichtzellen mit der jungen Perowskittechnologie und erzielen rekordhohe Wirkungsgrade.
  • Der Effizienzgewinn der Tandemzellen verspricht tiefere Preise und ein höheres Potenzial für Solarstrom in der Schweiz.

Genug Solarstrom für die Energiewende produzieren – das ist gerade in der kleinflächigen Schweiz eine Herausforderung. Entscheidend dazu beitragen könnten Solarzellen, die effizienter sind, also einen grösseren Anteil des einfallenden Sonnenlichts in Strom umwandeln könnten. In Effizienz zu investieren, lohnt sich. Schon über die vergangenen Jahre sind dadurch die Preise für Solarzellen stetig gesunken und machen heute nur noch einen kleinen Teil der Kosten einer Photovoltaikanlage aus. Der Gewinn an Effizienz bedeutet aber auch ein Gewinn am Stromertrag bei gleichen oder nur geringfügig höheren Systemkosten. Vor diesem Hintergrund entwickeln Forschende der ETH Lausanne (EPFL) und der EMPA gemeinsam die Solarzellen der nächsten Generation. Damit wollen sie die Effizienzkurve der Solarzellen, die in der Vergangenheit steil nach oben zeigte, in die Zukunft fortschreiben.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Forschenden entschieden, nicht einfach das Bestehende weiter zu verbessern, sondern neue Wege zu gehen. Denn der Wirkungsgrad herkömmlicher Solarzellen liegt bereits nahe an der theoretisch erreichbaren Grenze und lässt sich nur noch wenig steigern. Grund dafür ist die unvollständige Nutzung energiereicher Photonen durch gewöhnliche Solarzellen. Die Strommenge, die diese Zellen von einem einzelnen Photon ernten, ist fix. Sie entspricht der Energie, die ein Photon aufwenden muss, um die sogenannte Bandlücke zu überwinden. Materialien mit kleiner Bandlücke nutzen einen grossen Teil des Lichtspektrums– doch die überschüssige Energie energiereicher Photonen im gelben bis ultravioletten Spektralbereich geht verloren. Materialien mit grosser Bandlücke haben eine bessere Ausbeute in diesem Bereich– aber dafür sind die Photonen aus dem roten und infraroten Bereich zu schwach, um die Bandlücke zu überwinden und liefern keinen Strom.

Bandlücke

Als Bandlücke bezeichnet man in der Festkörperphysik einen Energiebereich, der nicht von Elektronen besetzt werden kann. Die Bandlücke ist eine Materialeigenschaft der für Solarzellen verwendeten Halbleiter.

Die Solarzelle neu denken

Der Ausweg aus diesem Dilemma liegt für die Forschenden in der Tandemzelle: Sie hat zwei aktive Schichten – die erste Schicht absorbiert mit einer grossen Bandlücke den energiereicheren Teil des Lichtspektrums und lässt das schwächere rote und infrarote Licht durch. Dieses Restlicht erntet die darunterliegende zweite Schicht dank ihrer kleinen Bandlücke. Mit diesem Tandem-Prinzip ist ein Wirkungsgrad von gegen 30 Prozent möglich. Das ist deutlich mehr als der von heutigen Einschichtzellen erreichte maximale Wirkungsgrad von etwa 25 Prozent.

Als Bausteine der neuen Tandemzelle wählten die Forschenden die besten Vertreter der heutigen Photovoltaik-Generation: Als Grundschicht eignen sich der Marktführer aus Silizium, ebenso wie die Dünnschicht-Zelle aus Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (auch Chalcogenid genannt). Beide Zellentypen haben eine kleine Bandlücke und sind somit im energiereichen Bereich des Lichtspektrums ineffizient. Für die zweite Schicht der Tandemzelle wählten die Forschenden Perowskit – ein Material, das in den letzten Jahren eine steile Karriere gemacht hat. Es ist günstig und flexibel in der Verarbeitung und kann dank einer variierbaren Bandlücke energiereiche Photonen effizient umwandeln.

Schwierige Vermählung

Die Elemente des angestrebten Tandems sind bereits heute auf dem Markt – aber als Einschichtzellen. Um sie miteinander zu verheiraten, mussten die Forschenden eine Reihe von Anpassungen vornehmen. Wobei sie bestehende industrielle Fertigungsschritte möglichst nicht verändern wollten, denn solche Verfahrensänderungen würden leicht zu Mehrkosten führen.

Bei diesem Vorgehen stellte sich ein Problem: Die Perowskitzelle als obere Schicht des Tandems muss für einen gewissen Bereich des Lichtspektrums durchlässig sein, darum kann die Elektrode nicht wie üblich aus einer Goldbeschichtung bestehen. Deshalb entwickelten Forschende der Empa Stoffe aus Metalloxiden, die gleichzeitig elektrisch leitend und transparent sind. Diese lassen über 80 Prozent des Lichts im langwelligen Bereich passieren.

Auch die Solarzelle der unteren Schicht musste für den Einsatz im Tandem angepasst werden, um einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen. Um beispielsweise die Ausbeute im Nah-Infrarotbereich zu verbessern, modifizierten die Empa-Forschenden die Bandlücke der Dünnschicht-Solarzellen.

Rekorde aus der Schweizer Technologie-Schmiede

Mit diesem Tandem aus einer optimierten Dünnschicht-Solarzelle als unterer Schicht und einer darübergelegten separaten Perowskitzelle gelang der Beweis: Tandemzellen erreichen höhere Wirkungsgrade als konventionelle Einschichtzellen. Mit 22,7 Prozent Wirkungsgrad ist die Tandemzelle um 3,2 Prozentpunkte besser als die effizientere der beiden Einzelzellen.

Einen leicht anderen Weg verfolgen Forschende der EPFL. Ihr Silizium-Perowskit-Tandem ist monolithisch, also in einem Stück hergestellt. Das ist ökonomischer und verringert Verluste an nutzbarem Licht. Jedoch ist die Herstellung komplex und die Kopplung der beiden Zellen eine Herausforderung: Das beginnt schon damit, dass die Herstellungsverfahren der oberen Schicht und der unteren Schicht kompatibel sein müssen. Um zum Beispiel zu hohe Verarbeitungstemperaturen zu vermeiden, ersetzen die Forschenden die bei der Perowskitzelle übliche Titanoxidbeschichtung durch eine Zinnoxidbeschichtung. Dieses neu entwickelte Beschichtungsverfahren funktioniert bei niederen Temperaturen und optimiert gleichzeitig den Wirkungsgrad der Zelle.

Besonderes Kopfzerbrechen bereitete den Forschenden, dass industriell hergestellte Siliziumzellen eine eingeätzte Oberflächenstruktur in Form kleiner Pyramiden aufweisen. Die Pyramiden schlucken Licht besser als eine glatte Oberfläche – aber sie sind um ein Vielfaches grösser als die Dicke der gesamten Perowskitzelle und lassen sich mit herkömmlichen Verfahren nicht gleichmässig beschichten. Statt einfach die Oberfläche glattzuschleifen – was die optischen Eigenschaften verschlechtert – erfanden die Forschenden eine neue Methode, um die Perowskitschicht aufzutragen. Damit und mit neuen Materialien zur Kopplung der Schichten erzielten sie den Durchbruch: Ihre Perowskit-Silizium-Tandemzelle erreicht einen Wirkungsgrad von 25,2 Prozent und knackte als weltweit erste ihrer Art die 25-Prozent-Marke. In der industriellen Weiterentwicklung wurde der Wirkungsgrad dann sogar noch bis auf 28 Prozent gesteigert.

Wie eine geschlossene Schneedecke liegt die Perowskitzelle über der Pyramidenlandschaft der Siliziumoberfläche – dank einem innovativen Verfahren aus den EPFL-Labors.
Wie eine geschlossene Schneedecke liegt die Perowskitzelle über der Pyramidenlandschaft der Siliziumoberfläche – dank einem innovativen Verfahren aus den EPFL-Labors.

Solarstromproduktion mit Technologie ankurbeln

Diese Erfolge zeigen: In Tandemsolarzellen steckt ein grosses Potenzial. Breit eingesetzt würden solch hocheffiziente Solarzellen den Flächenbedarf und dank tiefer Herstellungskosten auch die Kosten pro Kilowattstunde Solarstrom senken. Dazu müssen jedoch die Tandemzellen ebenso haltbar wie die etablierten Einschicht-Solarzellen werden. Noch schaffen sie das nicht, die Perowskitzelle ist deutlich weniger dauerhaft als die technisch ausgereiften Silizium- und Dünnschichtzellen. Nun arbeiten die Forschenden daran, die Altersbeständigkeit der Perowskitzelle zu verbessern, nicht nur wegen der hervorragenden technischen Aussichten, sondern auch um die weltweit führende Position der Schweiz auf dem Gebiet der Tandemsolarzellen zu stärken.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Christophe Ballif

Phototovoltaics and Thin Film Electronics Laboratory
EPFL
Rue de la Maladière 71b, CP 526
MC A2 304 (Bâtiment MC)
2002 Neuchâtel 2

+41 21 695 43 36
christophe.ballif@epfl.ch

Christophe Ballif

Projektleiter

Fan Fu

Aïcha Hessler-Wyser

Quentin Jeangros

Björn Niesen

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.