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Die Ästhetik der Nachhaltigkeit

Bei der Entwicklung besserer Solarmodule zählt bislang Ästhetik nicht zu den Hauptkriterien. Und Architekten denken bei ihren Entwürfen nicht als erstes an Sonnenenergie. Forschende des CSEM in Neuenburg und der EPFL Lausanne wollen dies ändern, um das Potenzial der Gebäude zur Stromerzeugung voll auszunutzen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Hocheffiziente, integrierte PV-Systeme». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Photovoltaik der nächsten Generation».
Der Demonstrationswürfel zeigt im Originalmassstab die ästhetischen und technischen Möglichkeiten der neuen Fassadenelemente mit integrierter Photovoltaik.
Der Demonstrationswürfel zeigt im Originalmassstab die ästhetischen und technischen Möglichkeiten der neuen Fassadenelemente mit integrierter Photovoltaik. Final report Perret-Aebi
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Gebäudefassaden können einen grossen Beitrag zum Ausbau der Solarenergie liefern.
  • In Fassadenmodulen mit ästhetischen Oberflächen integriert, werden Solarpanels attraktiv für die Architektur von heute.
  • Die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Solarzellen ist wesentlich, um die Kosten und den Flächenbedarf der Gebäudeintegrierten Photovoltaik zu senken.

Geeignete Flächen für die Installation von Solarpanels zu finden, ist in der kleinen Schweiz nicht einfach. Was liegt da näher, als die energetisch brachliegenden Gebäudeoberflächen zu nutzen? 40 Prozent der sonnenzugewandten Dachflächen von Gebäuden würden ausreichen, um das Produktionsziel der Energiestrategie 2050 von 11 Terawattstunden Solarstrom bis ins Jahr 2050 zu erreichen. 30 Prozent der geplanten Kapazität könnten ausserdem Gebäudefassaden übernehmen.

Gebäudehüllen, die Sonnenlicht in Strom umwandeln, existieren schon. Die sogenannte «Gebäudeintegrierte Photovoltaik», kurz GiPV, wird aber noch selten eingesetzt. Denn Architekten und Architektinnen haben wenig Interesse, ihre Projekte mit unschönen Solarmodulen einzukleiden.

Forschende des CSEM in Neuenburg und der EPFL Lausanne arbeiten daran, GiPV beliebter zu machen. Sie streben nichts weniger als einen Paradigmenwechsel an: Photovoltaik soll nicht als energietechnisches Problem, sondern als architektonischer Gestaltungsspielraum verstanden werden. Dazu müssen zuallererst die ästhetischen Möglichkeiten der GiPV erweitert werden.

Referenz für schöne Solararchitektur

Das Ziel der Forschenden: eine architektonische Referenz schaffen, die demonstriert, wie sich effiziente Energieerzeugung mit zeitgemässer Ästhetik verbinden lässt. Sie entwickelten ein Fassadenmodul, das mit den gängigen Solarzellen kompatibel ist und diese unsichtbar hinter einer attraktiven Hülle verbirgt. Dafür sorgt ein partiell flächendeckendes, farbiges und opakes Gewebe zwischen zwei Glasschichten.

Das neue Fassadenmodul setzt auch bei der Gebäudeökologie auf zukunftsweisende Lösungen. Es besteht aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz und enthält eine effiziente Wärmedämmung aus den natürlichen Materialien Cellulose und Holzfaser. Das spart Energie über den ganzen Lebenszyklus des Gebäudes vom Bau (graue Energie) bis zur Nutzung (Heizenergie). Und nach dem Rückbau lassen sich die Module leicht zerlegen und recyceln.

Der Einbau der Solarzellen in die Fassadenelemente erhöht zunächst den Ressourcenverbrauch. Und die GiPV-Fassade ist im Vergleich mit einer durchschnittlichen Fassade etwa um einen Drittel teurer. Der emissionsfrei erzeugte Solarstrom überkompensiert jedoch die Umweltbelastung bei der Herstellung um das zehnfache, und er spielt die Investitionskosten in wenigen Jahren wieder ein.

Effizienz ist zentral

Energetisch und finanziell könnte die Rechnung sogar noch besser aussehen, wenn die Effizienz der Solarmodule höher wäre. Der geringere Flächenbedarf würde die Kosten pro Kilowattstunde senken und den architektonischen Spielraum erweitern – was der GiPV-Technologie zusätzlichen Schub verleihen würde. Soweit könnte es bald sein, denn eine neue Generation von Solarzellen mit deutlich besserem Wirkungsgrad ist in Entwicklung. Mit den aus zwei Schichten bestehenden Tandemsolarzellen würden theoretisch 25 Prozent der geeigneten Dachflächen genügen, um die Ausbauziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen.

Für den praktischen Einsatz taugen die Tandemsolarzellen noch nicht, denn sie sind unter anderem generell noch zu wenig stabil. Um dies zu ändern, entwickelten die Forschenden eine effizientere Verkapselungsmethode. Zudem werden stabilere Tandemzellen entwickelt. Die so eingefassten Solarzellen überstanden den Härtetest gut: im feuchtheissen Klima und unter Bestrahlung ohne UV-Schutz lieferten sie konstant und zuverlässig Strom.

Gebäude neu denken

Allerdings erlauben es die Vorgaben der Energiestrategie 2050 nicht, zu warten, bis die neuen Solarzellen Serienreife erreichen. Die neuen GiPV-Module mit gängigen Solarzellen sollten möglichst schnell in die Praxis überführt werden. Dabei spielt die Architektur als erste Instanz in der Gebäudeplanung eine zentrale Rolle. Um die Architekturwelt vom Konzept der gebäudeintegrierten Photovoltaik zu überzeugen und deren Feedback einzuholen, bauten die Forschenden einen Demonstrator – ein würfelförmiges Minigebäude, an dem sich Aussehen und Funktion der GiPV-Module im Originalmassstab unter Augenschein nehmen lassen. Das Demonstrationsobjekt fand bei Architekten und Architektinnen Anklang – 90 Prozent der Besucher eines nationalen Architekturforums bekundeten Interesse, künftig selber in ihrem Gestaltungsprozess mit GiPV zu arbeiten.

Mit den neuen GiPV-Modulen lassen sich Fassaden mit ganz unterschiedlicher Optik verwirklichen. Je nach Gestaltung fällt auch die Energiebilanz unterschiedlich aus.
Mit den neuen GiPV-Modulen lassen sich Fassaden mit ganz unterschiedlicher Optik verwirklichen. Je nach Gestaltung fällt auch die Energiebilanz unterschiedlich aus.

Um die neuen Möglichkeiten der Photovoltaik in der Architektur umzusetzen, wurde ein Wettbewerb «Active Housing» mit 39 Teilnehmenden organisiert. Unter diesem Motto liess die EPFL Architekturstudentinnen und ¬-studenten den Gestaltungsspielraum der neuen Fassadenelemente ausloten. Der Wettbewerb zeigte: wenn die nächste Generation von Architekturfachleuten auf die nächste Generation von Gebäudefassaden trifft, kann ein neues Denken über Gebäude entstehen.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Laure-Emmanuelle Perret-Aebi

Photovoltaics and Thin Film Electronics Laboratory
EPF Lausanne
MC A2 302 (Bâtiment MC)
Rue de la Maladière 71b, CP 526
2002 Neuchâtel 2

+41 21 695 42 76
laure-emmanuelle.perret@epfl.ch

Laure-Emmanuelle Perret-Aebi

Projektleitung

Gianluca Cattaneo

Angela Clua

Jordi Escarré

Patrick Heinstein

Hengyu Li

Sophie Lufkin

Emmanuel Rey

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 18.06.2019 ab.