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Computer leisten Geburtshilfe für eine neue Solarzellen-Generation

Eine neue Generation von Solarzellen steht kurz vor dem Durchbruch. Neuartige Materialien und fortgeschrittene Designs versprechen hohe Effizienz und vielseitige Möglichkeiten bei tiefen Kosten. Computergestützte Simulationen sollen helfen, das Potenzial der neuen Technologien zu heben.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Simulation von PV-Systemen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Photovoltaik der nächsten Generation».
Die Witterung und die Qualität des Sonnenlichts müssen einberechnet werden, um den Energieertrag neuer Solarzellen realistisch zu berechnen.
Die Witterung und die Qualität des Sonnenlichts müssen einberechnet werden, um den Energieertrag neuer Solarzellen realistisch zu berechnen. Shutterstock/Swissdrone
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Computermodelle erklären die physikalischen Eigenschaften einer neuen Generation von Solarzellen und helfen, diese zu optimieren.
  • Die Simulation unter realistischen Umweltbedingungen zeigt das Potenzial, das in der neuen Solarzellen-Technologie steckt.
  • Bei der Entwicklung der neuen Solarzellen zur Marktreife können die Computer-Tools eine Schlüsselrolle spielen.

Die Energiestrategie 2050 will etwa 20 Prozent des zukünftigen Strombedarfs mit Sonnenenergie decken. Die Chancen, dass dies gelingt, stehen gut. Denn eine neue Generation von Solarzellen steht in den Startlöchern. Diese basiert auf dem Zukunftsmaterial Perowskit – es ist günstig, leicht zu verarbeiten und kann Licht sehr effizient absorbieren. Besonders hohe Wirkungsgrade erreichen die sogenannten Tandemzellen – sie sind aus zwei Schichten aufgebaut, von denen jede einen anderen Teil des Lichtspektrums verwertet.

Die neuen Solarzellen stehen aber noch vor ihrer grössten Herausforderung – dem Schritt vom Labor in den produktiven Betrieb. Entscheidend ist die Frage, wie hoch die Energieausbeute der installierten Anlagen im realen Einsatz ausfallen wird. Das hängt nicht von der Solarzelle allein ab, sondern auch vom Funktionieren der Solarmodule unter realistischen Umweltbedingungen.

Forschende der ZHAW Winterthur haben diese komplexe Fragestellung am Computer untersucht. In Zusammenarbeit mit den Labors der Empa und der ETH Lausanne entwickelten sie einen Werkzeugkasten von numerischen Modellen, die von der Physik einzelner Solarzellen bis zum Stromertrag eines installierten Moduls von Tandemzellen alle Stufen der Stromerzeugung aus Sonnenlicht simulieren können.

Solarzellen von Grund auf verstehen

Das Verständnis dieser Prozesskette beginnt bei der Wechselwirkung des Lichts mit Materie, und hier setzten die Forschenden an. Aus bestehenden Komponenten bauten sie ein Computermodell der Perowskitzelle, das erstmals optische und elektrische Vorgänge gekoppelt simulierte. Damit erklärten sie ein Verhalten, das bis anhin noch nicht vollständig verstanden war: So liefert die Perowskitzelle bei gleichen Bedingungen unterschiedlich viel Strom, je nachdem ob die angelegte Spannung von unten oder von oben angefahren wird – ein als Hysterese bekanntes Phänomen. Mit ihrer Simulation zeigten die Forschenden, dass sich die Hysterese mit der Bewegung geladener Teilchen, sogenannter Ionen, erklären lässt. Sie können sich bei Raumtemperatur aus Bestandteilen des Perowskits bilden, z.B. aus dem Jodanteil. Diese beweglichen Ladungen schirmen das elektrische Feld im inneren des Bauteils ab.

Ein weiteres Modell aus dem Werkzeugkasten der ZHAW-Forschenden beschreibt eine Tandemzelle –bei dieser wird die Perowskitzelle als zusätzliche Schicht auf die Oberfläche einer Siliziumzelle aufgebracht. Die Perowskitzelle filtert das kurzwellige Licht auf der blau-violetten Seite des Spektrums heraus, während die darunterliegende Siliziumzelle auf das langwellige rote bis infrarote Licht spezialisiert ist – eine Arbeitsteilung, die höhere Wirkungsgrade zulässt, als sie mit einer einfachen Solarzelle möglich sind.

Mit diesem Modell spielten die Forschenden verschiedene Konfigurationen durch und optimierten jeweils die Leistung der Zelle – ein Vorgehen, das im Labor mit realen Solarzellen sehr aufwendig wäre. Anschliessend suchten die Forschenden nach der günstigsten Aufteilung des Lichtspektrums zwischen dem oberen und dem unteren Teil der Tandemzelle. Dazu testeten sie Perowskite, die das Licht bei unterschiedlichen Wellenlängen filtern. Damit konnten sie zeigen, dass sich so der Wirkungsgrad theoretisch bis auf 31 Prozent hochschrauben lässt.

Die Simulation zeigt das Potenzial

Mit dem Modell einer perfektionierten Tandemzelle ausgerüstet, konnten sich die Forschenden nur an die Hauptaufgabe wagen – die Simulation der neuen Technologie im realen Betrieb. Dazu benutzten sie Daten zu Sonnenstrahlung, Umgebungstemperatur und Wind – Umweltfaktoren, von denen die Stromproduktion eines Solarmoduls abhängig ist. Zusätzlich musste die spektrale Verteilung des Sonnenlichts berechnet werden. Denn dieses weist im Tages- wie auch im Jahresverlauf unterschiedliche Rot- und Blauanteile auf. Das wirkt sich speziell auf die Leistung einer Tandemzelle aus, die rotes und blaues Licht in separaten Zellen umwandelt. Da die schwächere Zelle den Stromfluss durch die ganze Tandemzelle bestimmt, braucht es für eine optimale Leistung eine ausgeglichene Einstrahlung. Wie hoch die Leistungseinbusse durch die farblichen Abweichungen des Sonnenlichts ausfällt, konnten die Forschenden mit ihrem Modell berechnen – es sind lediglich 1.27 Prozent des jährlichen Stromertrages.

Tools für alle nutzbar machen

Zeitgleich mit der Ausarbeitung der Computermodelle schritt auch die experimentelle Entwicklung der Perowskit-Technologie weiter voran. Tatsächlich machte sie sogar gewaltige Sprünge – und dies ohne Unterstützung der Simulations-Tools. Bis zu einer marktreifen Perowskitzelle sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden, denn die neue Technologie ist für die Praxis noch zu wenig dauerhaft. Hier könnten sich die Computermodelle als unentbehrlich erweisen. Bislang können die Programme allerdings nur von Spezialisten bedient werden, aber mit einer nutzerfreundlichen Bedienungsoberfläche würden sie für eine breitere Anwendung zur Verfügung stehen. Der Werkzeugkasten ist nicht nur für Forschungsgruppen und Technologiefirmen interessant, sondern auch Architekturbüros oder Behörden könnten davon profitieren – zum Beispiel um die Solarstromproduktion an Gebäudefassaden vorauszuberechnen.

Kontakt und Team

Dr. Matthias Schmid

ZHAW School of Engineering
Institute of Computational Physics
Wildbachstrasse 21
8400 Winterthur

+41 58 934 75 48
matthias.schmid@zhaw.ch

Matthias Schmid

Projektleiter

Antonio Abate

Christophe Ballif

David Bernhardsgrütter

Konrad Domanski

Alejandro Nico Filippin

Fan Fu

Lukas Kranz

Dominik Josef Kubicki

Paolo Antonio Losio

Ayodhya Nath Tiwari

Mario Ochoa Gomez

Fabian Pianezzi

Jérémie Werner

Shaik Mohammed Zakeeruddin

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 17.12.2018 ab.