Meiner Merkliste hinzufügen
Als PDF downloaden

Erdwärmenutzung – virtuell erforscht

Aus tiefen Gesteinsschichten Erdwärme gewinnen und Strom produzieren – so bestechend die Idee, so vertrackt ist die Ausführung. Zwei Versuche, in der Schweiz die tiefe Geothermie als saubere Energiequelle zu erschliessen, mussten wegen Erdbeben abgebrochen werden. Nun sollen virtuelle Versuchsanlagen am Computer eine sicherere und zielgerichtete Entwicklung der Technologie ermöglichen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Tiefengeothermie». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Wasserkraft und Geoenergie».
Vorderhand bleibt das Bohrloch ungenutzt – das Basler Pilotprojekt zur geothermischen Gewinnung von Strom und Wärme wurde wegen Erdbeben abgebrochen.
Vorderhand bleibt das Bohrloch ungenutzt – das Basler Pilotprojekt zur geothermischen Gewinnung von Strom und Wärme wurde wegen Erdbeben abgebrochen. IWB/Erik Rummer
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die tiefe Geothermie zur Stromgewinnung aus Erdwärme ist eine vielversprechende, aber noch unreife Technologie.
  • Das Erdbebenrisiko durch die tiefe Geothermie ist noch nicht gebannt, und die Pilotanlagen sind stillgelegt.
  • Computermodelle ermöglichen eine systematische und sichere Entwicklung der tiefen Geothermie.

Geothermie nennt sich die Technologie, die den riesigen Vorrat an Erdwärme anzapft, der unter unseren Füssen schlummert. Um diese Wärme heraufzuholen, wird Wasser in mehr als vier Kilometer Tiefe durch zerklüftete, warme Gesteinsmassen gepumpt wie durch einen Durchlauferhitzer. Wenn das Wasser wieder an die Oberfläche kommt, hat es eine Temperatur von gegen 150 Grad – und damit lässt sich Strom erzeugen. Zusätzlich kann das heisse Wasser auch zum Heizen genutzt werden. Der Traum von einer stetigen und nachhaltigen Quelle sauberer Energie scheint greifbar nah.

Ein harter Brocken

Doch der Schatz ist gut verschlossen. Die Durchlässigkeit der tiefen Gesteinsschichten ist so gering, dass bislang nur geringe Durchströmungsraten erreicht werden und wirtschaftliche Energieproduktion nicht möglich ist. Der Schlüssel zur Nutzung der tiefen Erdwärme wäre eine effiziente und sichere Methode, um die Durchlässigkeit des Gesteins zu erhöhen: die sogenannte «hydraulische Stimulation». Dabei wird Wasser unter hohem Druck ins Gestein hineingepresst, damit sich vorhandene Risse erweitern und eine durchlässige Zone entsteht, der die Wärme dann effizient entnommen werden kann. Aber diese Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und wurde bis anhin erst in experimentellen Anlagen angewandt.

Schlecht verstanden ist bislang auch, wie durch die hydraulische Stimulation Bodenbewegungen ausgelöst werden. Kleinere Erschütterungen des Untergrunds sind normal. Sie sind der Beweis, dass der Fels erfolgreich gelockert wurde. Zu vermeiden gilt es jedoch, dass an der Oberfläche spürbare Erdbeben ausgelöst werden, die unter Umständen Schäden verursachen können. Denn solche Ereignisse sind beängstigend und Gift für die Akzeptanz der Geothermie in der Bevölkerung. Wegen Erdbeben wurden sowohl in Basel als auch in St. Gallen laufende Pilotprojekte abgebrochen. Damit gibt es in der Schweiz zur Zeit keine Anlagen zur geothermischen Stromgewinnung mehr.

Virtuell in die Tiefe bohren

Doch die Forschung zur Verbesserung der geothermischen Verfahren geht weiter ¬– am Computer. Forschende mehrerer Schweizer Universitäten wollen mit Simulationen verstehen, welche Prozesse sich im Untergrund abspielen, wenn das Wasser ins heisse Gestein gepresst wird.

Um diese hydraulische Stimulation der Gesteinsdurchlässigkeit zu testen, wurde an der Universita della Svizzera Italiana ein Computermodell entwickelt. Es beschreibt das Verhalten feiner Risse mit rauen Oberflächen und berechnet, wie der hohe Wasserdruck bei der hydraulischen Stimulation Verschiebungen entlang der Bruchflächen erzeugt.

Neben dem Druck spielt auch die Temperatur eine wichtige Rolle, wie Forschende der Universität Neuenburg zeigten. Das eindringende kalte Wasser kühlt den Fels ab und erzeugt Spannungen. Diese können zu weiteren Brüchen führen und dadurch die Durchlässigkeit erhöhen.

Wie die kleinräumigen Bewegungen im Gestein sich auf den Durchfluss des Wassers und die Förderung von Wärme, aber auch auf die Erdbebentätigkeit auswirken, studierten die Forschenden mit einem weiteren Modell. Im Test konnte dieses vereinfachte, aber umfassendere Tool eine natürliche Erdbebensequenz in Nevada sehr getreu nachbilden.

Natürliche Vorgänge im Untergrund simuliert auch ein an der ETH Zürich entwickeltes Modell. Die Forschenden berechneten damit das Aufsteigen von heissem Wasser aus tiefen Felsklüften. Dabei entdeckten sie charakteristische Temperaturmuster, die schon in geringer Tiefe nachweisbar sind. Dieses neue Wissen könnte es in Zukunft erleichtern, ergiebige Vorkommen von Erdwärme aufzuspüren.

Grundlagen für die Entwicklung schaffen

Die Computermodelle machen das unnahbare Reich des Untergrundes zugänglich für virtuelle Experimente. So lassen sich Verfahren zur effizienten und sicheren Erhöhung der Durchlässigkeit des Gesteins systematisch testen. Dadurch – so sind die Forscher überzeugt – werde die hydraulische Stimulation von einer Methode, die auf blossem Versuch und Irrtum gründet, zu echter Ingenieurskunst weiterentwickelt. Dieser Fortschritt soll auch in der Schweiz dazu beitragen, das Erdbebenrisiko der Geothermie in den Griff zu bekommen und wirtschaftliche Anlagen zu verwirklichen.

Die Bewährungsprobe allerdings bleibt die Anwendung im Feld. Die Erkenntnisse aus den Simulationstools müssen mit echten Demonstrationsanlagen überprüft und erhärtet werden. Deshalb fordern die Forscher, dass weitere Pilotanlagen unterstützt werden, um die Entwicklung der tiefen Geothermie voranzutreiben.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Thomas Driesner

Inst. für Geochemie und Petrologie
NW F 72
Clausiusstrasse 25
8092 Zürich

+41 44 632 68 03
thomas.driesner@erdw.ethz.ch

Thomas Driesner

Projektleiter

Gunnar Jansen

Rolf Krause

Stephen Miller

James Patterson

Cyrill von Planta

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.