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So sollen Wasser und Erdwärme unsere Stromzukunft prägen

Wie kann die Schweiz mehr Strom aus Wasserkraft gewinnen, ohne den Bergbächen zu schaden? Wie kann man Geothermie-Anlagen bauen, ohne Erdbeben auszulösen? Diesen Fragen und weiteren Fragen gingen verschiedene Forschungsteams auf den Grund.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Wasserkraft und Geoenergie».
Die Wasserkraft ist ein Stützpfeiler der Schweizer Stromproduktion – und soll es bleiben.
Die Wasserkraft ist ein Stützpfeiler der Schweizer Stromproduktion – und soll es bleiben. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • In einem Verbundprojekt gingen Forschende der Frage nach, wie die tiefe Geothermie und Wasserkraft ihre Ziele im Rahmen der Energiestrategie 2050 erreichen können.
  • Die Wasserkraft ist bereits heute ein Stützpfeiler und soll weiter optimiert werden. Ziel ist eine Produktionssteigerung von 10 Prozent.
  • Mit der tiefen Geothermie wird zurzeit in der Schweiz noch kein Strom gewonnen. Unter anderem, weil beim Bau von Anlagen Erdbeben ausgelöst werden können.
  • Beim Ausbau spielen Technologie und Wirtschaftlichkeit eine Rolle, aber auch der Umweltschutz und der Einbezug der Bevölkerung.

Zwei erneuerbare Energien sollen bei der Energiestrategie 2050 eine entscheidende Rolle spielen: Die Wasserkraft und die tiefe Geothermie, wo heisses Wasser aus dem Untergrund als Energiequelle dient. In einem Verbundprojekt haben sich Forschende deshalb intensiv mit den beiden Methoden der Stromgewinnung auseinandergesetzt, deren Voraussetzungen unterschiedlicher kaum sein könnten.

Die Wasserkraft steuert heute 60 Prozent zum Schweizer Strommix bei. Die Ausbaumöglichkeiten sind beschränkt, weshalb sich die Forschung auf die Optimierung und Weiterentwicklung der bestehenden Kraftwerke konzentriert. Das Ziel wäre eine Produktionssteigerung von 10 Prozent.

Ganz anders sieht es bei der tiefen Geothermie aus: Zwar sollte auch sie bald eine wichtige Rolle übernehmen, doch zurzeit wird in der Schweiz kein Strom mit dieser Methode gewonnen. Deshalb gingen die Forscher der Frage nach, ob Erdwärme überhaupt einen bedeutenden Teil der nationalen Energiegewinnung beisteuern kann – und wie das auf eine sichere Art und Weise genutzt werden kann.

Von Akzeptanz bis Wirtschaftlichkeit

In sieben Subprojekten wurde erforscht, wie die Ziele der Wasserkraft und Geothermie erreicht werden können. Dies unter anderem bezüglich der Aspekte Wirtschaftlichkeit, Klimawandel, Sicherheit, Auswirkungen auf die Umwelt und die Akzeptanz der Bevölkerung.

Für die Geothermie sieht der Bund in der Schweiz ein grosses Potenzial. Bis 2050 sollen auf diese Weise 4,4 Terawattstunden Strom gewonnen werden – das entspricht ungefähr sieben Prozent des heutigen Stromverbrauchs des Landes. Doch mehrere Versuche, dieses Potenzial zu nutzen, sind in der jüngeren Vergangenheit gescheitert. Die Bedingungen im Untergrund waren jeweils weniger günstig als erwartet.

Oberer Muschelkalk als CO2-Speicher?

Vielversprechend schien bis vor kurzem der Obere Muschelkalk, eine tief unter dem Mittelland liegende Gesteinsschicht. Doch Forschende der Unis Bern und Lausanne sowie der ETH Zürich fanden heraus, dass er sich nicht zur geothermischen Stromgewinnung im industriellen Massstab eignet. Denn wegen der hohen Last der darüber liegenden Gesteinsschichten wurden die Poren des Oberen Muschelkalks über Millionen von Jahren zusammengedrückt. Die Durchlässigkeit ist zu gering für den Betrieb einer geothermischen Anlage.

Dafür könnte sich der Obere Muschelkalk für die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) eignen. Die Forschenden kamen zum Schluss: In einem Gebiet, das sich von Olten bis nach Schaffhausen erstreckt, könnten rund 52 Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden. Das entspricht dem Ausstoss eines Gaskraftwerks mit einer Leistung von 400 Megawatt in 75 Jahren.

Menschgemachte Erdbeben als Risiko

Ein grosses Hindernis auf dem Weg zur Geothermie sind die Erdbeben, die Bei der Erschliessung dieser Energiequelle ausgelöst werden können. Um den Untergrund durchlässig genug für ein Kraftwerk zu machen, wird nämlich Wasser mit hohem Druck in den Untergrund gepresst. Dabei werden natürliche Risse vergrössert und miteinander verbunden. Nachdem dieses Vorgehen an der Oberfläche spürbare Erdbeben ausgelöst hat, sind Pilotprojekte in Basel und St. Gallen abgebrochen worden,.

Um dies künftig zu verhindern, haben Geologen der ETH Zürich und Geophysiker der Universität Lausanne im Labor eine Reihe von Gesteins-Experimenten durchgeführt. Mit den gewonnenen Daten lassen sich künftig genauere Simulationen durchführen und so das Erdbebenrisiko verringern.

Modelle zur Risikoverminderung

Erneuerbare Energien bergen aber auch noch weitere Risiken. Mit denen haben sich Forschende der ETH beschäftigt. Sie haben Modelle erstellt, wie Erdbeben, Dammbrüche bei Stauseen und Erdrutsche besser vorhergesagt und eingeschätzt werden können.

Zudem haben die Forschenden mit einer Umfrage ermittelt, wie man Risiken am besten der Öffentlichkeit mitteilt. Das Ergebnis: Die Bevölkerung bevorzugt Zahlen-Angaben und den Vergleich der Risiken verschiedener Varianten.

Ebenfalls können die Forschenden nun die Unsicherheiten ihrer Voraussagen beziffern. Wenn diese Zahlen aber mitgeteilt werden, sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaftler und deren Angaben.

Laut der Umfrage steht die Schweizer Bevölkerung der Tiefengeothermie wohlwollend gegenüber – trotz des Erdbeben-Risikos. Aber am liebsten, so die zeigt die Umfrage, soll Geothermie an ländlichen Standorten installiert werden, möglichst weit entfernt von dichtem Siedlungsgebiet.

Gesündere Bergflüsse trotz Wasserkraft

Wie die Geothermie wirkt sich auch die Wasserkraft auf die Umwelt aus. Um den Schaden zu begrenzen, darf ein Gewässer laut Gesetz für die Stromgewinnung nie vollständig trockengelegt werden. Diese gesetzliche Vorgabe bietet aber für viele Flüsse keinen nachhaltigen Schutz der Artenvielfalt, wie Forschende der beiden ETH sowie der Eawag und der Uni Lausanne feststellten.

Man weiss, dass sich bei naturbelassenen Flüssen eine ständige Schwankung der Abflussmenge positiv auf das Gewässer als Lebensraum auswirkt. Würden Wasserkraftwerke diese natürliche Dynamik nachahmen, liessen sich ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren. Dies lässt sich mit einem klugen Einsatz der Speicherbecken bewerkstelligen, ohne dass die Stromproduktion darunter leidet, kamen die Forschenden zum Schluss.

Ebenfalls einen Einfluss auf die Natur hat der Betrieb von Wasserentnahmestellen in hochalpinen Gewässern. Diese müssen regelmässig von Sediment befreit werden. Dann ergiesst sich ein Schwall von Sand und Kies in die Bäche und dezimiert die dort lebenden Kleinlebewesen wie zum Beispiel Insekten.

Jedoch sind im aktuellen Gewässerschutzgesetz weder die Sedimentproblematik noch die Bedeutung variabler Abflussmengen berücksichtigt. Laut den Forschenden muss das Gesetz in diesen Punkten angepasst werden, um den Naturschutz auch bei verstärkter Wasserkraft-Nutzung zu gewährleisten. Die in den Projekten entwickelten Computermodelle können bei den weiteren Untersuchungen, die dazu nötig sind, behilflich sein.

Bessere Wetterprognosen für mehr Effizienz

Eine weitere Herausforderung für die Wasserkraft ist der Klimawandel. Denn die veränderten Wetterbedingungen wirken sich auf die Abläufe im Kraftwerk aus. Deshalb haben Forschende der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ein Rechenmodell entwickelt, das mit Echtzeitdaten Trockenzeiten prognostizieren kann – und das bis zu drei Wochen im Voraus.

Solche Prognosen helfen den Betreibern von Wasserkraftwerken, die Abflüsse besser abzuschätzen und das Wasser besser zu nutzen. So können sie laut den Forschenden jedes Jahr bis zu vier Prozent mehr Ertrag erwirtschaften.

Sedimente setzen Turbinen zu

Weiter machen winzige Partikel den Kraftwerken zu schaffen: In den grossen Anlagen der Alpen wirken feine Sedimente aus den Flüssen an den Turbinen wie Schmirgelpapier und setzen ihnen zu. Wegen den dadurch nötigen Unterhaltsarbeiten gehen jedes Jahr schätzungsweise sechs Millionen Franken verloren.

Eigentlich sollen sogenannte Entsander-Anlagen einen Grossteil der Schwebfracht aus dem Wasser entfernen – doch das tun sie nur unzulänglich. Forschende der ETH Zürich haben nun mit Computermodellen ausgearbeitet, mit welcher Art von Becken die Entsandung am besten funktioniert: Bei langen Becken, in denen das Wasser lange fliesst, können sich Schwebstoffe am besten absetzen.

Stauseen, wo früher Gletscher waren

Die Wasserkraft wird vor allem mit einer Steigerung der Effizienz zulegen müssen. Dennoch könnten auch neue Stauseen helfen, den Energiebedarf zu decken – und zwar in Gebieten, die von schrumpfenden Gletschern freigegeben werden. Forschende der ETH Zürich haben 62 Gletscher geprüft, unter denen neue Stauseen gebaut werden können.

Mit sieben zusätzlichen Stauseen an den geeignetsten Standorten könnte man die 1,1 zusätzlichen Terrawattstunden pro Jahr gewinnen, die die Schweiz bis 2035 produzieren möchte. Doch mit Ausnahme eines Gebiets beim Triftgletscher im Kanton Bern liegen alle in geschützten Gebieten. Hier wäre der Bau neuer Stauseen also nicht nur teuer, sondern dürfte auch auf massiven Widerstand von Seiten Umwelt- und Landschaftsschutz stossen.

Kontakt und Team

Prof. Domenico Giardini

Energy Science Center
ETH Zürich
Sonneggstrasse 5
NO H 69.1
8092 Zürich

+41 44 633 26 10
domenico.giardini@erdw.ethz.ch

Domenico Giardini

Projektleiter

Larryn W. Diamond

Massimiliano Zappa

Robert Michael Boes

Thomas Driesner

Paolo Burlando

Stefan Wiemer

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.