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Heisses Wasser nutzen, CO2 einspeichern – Das Potenzial des tiefen Untergrundes

Zur Erreichung der Ziele der Energiestrategie 2050 geht der Blick nicht nur nach oben zu Sonne und Wind, sondern auch in den tiefen Untergrund. Denn die Wärme aus den obersten Kilometern der Erdkruste lässt sich auch in der Schweiz zur Energiegewinnung nutzen. Zudem könnte klimaschädliches CO2, das der Atmosphäre entzogen wurde, in flüssiger Form in geeigneten Gesteinsschichten langfristig gespeichert werden. Dieses Forschungsprojekt hat die Eignung verschiedener Regionen der Schweiz für diese beiden Anwendungen beurteilt. Zudem wurden verschiedene Methoden zur Untersuchung des Untergrundes geprüft und verbessert.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Tiefliegende Wärmereservoirs». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Wasserkraft und Geoenergie».
Stossen Bohrungen tief im Untergrund auf heisses Wasser, können Kraftwerke damit Strom erzeugen.
Stossen Bohrungen tief im Untergrund auf heisses Wasser, können Kraftwerke damit Strom erzeugen. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • In diesem Projekt wurde das Potenzial für die Energiegewinnung und Gasspeicherung einer tief unter dem Schweizer Mittelland liegenden Gesteinsschicht, dem Oberen Muschelkalk, untersucht. Bereiche im östlichen Mittelland könnten sich für die Speicherung von verflüssigtem CO2 eignen. Das Potenzial für die Stromerzeugung durch Geothermie ist jedoch gering.
  • Die Untersuchung von warmen Quellen in der Region des Grimselpasses zeigt, dass solche alpinen Regionen ein höheres geothermisches Potenzial haben, als bisher bekannt war.
  • Mehrere geothermische Projekte in der Schweiz sind in den letzten Jahren gescheitert, da die tatsächlich angetroffenen Bedingungen im Untergrund anders waren, als erwartet wurde. Die Resultate dieser Forschungsprojekte erleichtern das Vorhersagen der Eigenschaften des Tiefengesteins. So können die Erfolgschancen für zukünftige Geothermieprojekte maximiert werden.

Beitrag zur Energiestrategie 2050

Neben Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie gehört auch die tiefe Geothermie zu den erneuerbaren Energiequellen: Mit heissem Wasser aus dem Untergrund wird in einem Kraftwerk Strom und Wärme produziert. Der Bund rechnet für die tiefe Geothermie in der Schweiz mit einem erheblichen Potenzial. Bis 2050 sollen auf diese Weise 4,4 Terrawattstunden Strom gewonnen werden – das entspricht ungefähr sieben Prozent des heutigen Stromverbrauchs der Schweiz. Doch mehrere Versuche, dieses Potenzial nutzbar zu machen, sind in den letzten Jahren gescheitert. Der Grund war jeweils, dass die im Untergrund angetroffenen Bedingungen weniger günstig waren als erwartet. Um das Verständnis des tiefen Untergrunds zu verbessern, müssen die Eigenschaften von potenziell geeigneten Gesteinsschichten und deren Struktur im Detail untersucht werden. Zudem muss die Interpretation der geophysikalischen Messresultate weiter verbessert werden. Beide Aspekte wurden in einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Universitäten Bern und Lausanne sowie der ETH Zürich untersucht.

Hoffnungsträger: Gesteine des Oberen Muschelkalks

Nicht jedes Gestein eignet sich, um heisses Wasser zu gewinnen oder Gas zu speichern. So muss die Porosität des Gesteins mehr als zehn Volumenprozent betragen. Und die Durchlässigkeit für Wasser muss grösser als 10 Millidarcy sein.

Eine Gesteinsschicht, welche die gewünschten Eigenschaften verspricht, ist der sogenannte Obere Muschelkalk in Tiefen von 60 bis 6000 m unterhalb des gesamten Schweizer Mittellandes. Diese Schicht wurde vor rund 240 Millionen Jahren in einem tropischen, untiefen Urmeer abgelagert. Um die Eigenschaften dieses Gesteins zu bestimmen, haben die Forschenden Daten und Gesteinsproben aus bestehenden Bohrungen der Nagra und der Schweizer Erdölindustrie gesammelt und untersucht.

Um geothermische Elektrizität zu gewinnen, muss das im Gestein angetroffene Wasser mindestens 120 Grad Celsius heiss sein. Das Wasser im Oberen Muschelkalk erreicht solch hohe Temperaturen nur im südlicheren Teil des Mittellandes, wo die Gesteinsschicht tiefer als 3400 Metern liegt (in der Karte durch eine weisse Linie markiert). Die Resultate der Studie zeigen aber, dass sich diese Gebiete für die geothermische Stromgewinnung im industriellen Massstab nicht eignen. Aufgrund der hohen Last der darüber liegenden Gesteinsschichten wurden die Poren des Oberen Muschelkalks über die Jahrmillionen verkleinert. Daher ist die Durchlässigkeit zu gering für den Betrieb einer geothermischen Anlage.

Besser sind die Prognosen für die CO2-Speicherung im Oberen Muschelkalk. Da hierfür keine hohen Temperaturen nötig sind, ist der Muschelkalk in geringerer Tiefe bis zu 1130 Metern von Interesse. Dort sind die gemessenen Porositäten und Durchlässigkeiten deutlich höher. Um CO2 als dichte Flüssigkeit unter hohem Druck zu speichern, muss die Schicht jedoch in mindestens 800 Metern Tiefe liegen. In geringerer Tiefe ist das CO2 gasförmig, was die Speicherung von grossen Volumen unmöglich macht. Damit bleibt der Tiefenbereich zwischen 800 und 1130 Metern, der sich für die CO2-Speicherung eignen würde. Diese Bedingungen erfüllt der Obere Muschelkalk in einem Gebiet, das sich von Olten bis nach Schaffhausen erstreckt (auf der Karte grün markiert). Dieses Gebiet ist jedoch teilweise von grossen Brüchen durchzogen, die eine langfristige Speicherung erschweren könnten. Immerhin ist knapp die Hälfte der Fläche intakt und somit ein potenzieller Speicherort. In dieser Region könnten rund 52 Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden – was dem Ausstoss eines Gaskraftwerks mit einer Leistung von 400 Megawatt in 75 Jahren entspricht.

Eignung der Gesteine des Oberen Muschelkalks für die Speicherung von CO<sub>2</sub>. Nur im grün eingefärbten Gebiet weist das Gestein die nötigen Eigenschaften auf.
Eignung der Gesteine des Oberen Muschelkalks für die Speicherung von CO2. Nur im grün eingefärbten Gebiet weist das Gestein die nötigen Eigenschaften auf. Universität Bern

Geothermie im Rhonetal

Nicht überall findet man heisses Wasser erst in einer Tiefe von 3000 Metern und mehr. Zum Beispiel dringt im Walliser Rhonetal an mehreren Orten warmes Wasser bis an die Oberfläche – etwa bei den Thermalbädern Brigerbad und Lavey-les-Bains. Auch auf dem Grimselpass tritt warmes Wasser aus Brüchen zu Tage. Den obersten Teil dieses Netzwerks haben die Geologen nun mit einer 125 Meter tiefen Bohrung erkundet. Sie untersuchten die Bohrkerne und die chemische Zusammensetzung des Wassers und benutzten diese Erkenntnisse, um mittels Computersimulationen in noch grössere Tiefen zu blicken. So konnten sie bestimmen, dass das Wasser bis in eine Tiefe von neun bis zehn Kilometern eindringt, dort auf 230 bis 250 Grad Celsius aufgeheizt wird und dann entlang von Brüchen wieder aufsteigt. Ein einzelner Wassertropfen benötigt für diese Reise über 30'000 Jahre. Das Wasser tritt jedoch nicht entlang der gesamten Bruchzone an die Oberfläche, sondern bloss an zwei Stellen, wo das Gestein von besonders vielen Brüchen durchzogen ist. Das ist eine Schlüsselerkenntnis für die kommerzielle Entwicklung der Geothermie. Denn es bedeutet, dass man für zukünftige Geothermieprojekte gezielt nach solchen schmalen Zonen suchen muss. Wahrscheinlich handelt es sich bei den oben erwähnten Thermalbädern um solche Austrittszonen von heissem Wasser, so dass Brigerbad und Lavey-les-Bains möglicherweise für die geothermische Stromgewinnung im industriellen Massstab geeignet sein könnten.

Schematische Skizze der unterirdischen Fliesswege von Thermalwasser beim Grimselpass.
Schematische Skizze der unterirdischen Fliesswege von Thermalwasser beim Grimselpass. Universität Bern

Vermeidung von Erdbeben in Geothermieprojekten

Um ein geothermisches Kraftwerk zu betreiben, müssen die Porosität und Durchlässigkeit des Untergrunds genügend hoch sein. Ist dies nicht der Fall, kann der Untergrund stimuliert werden, d.h. Wasser wird mit hohem Druck in den Untergrund gepresst, um bestehende natürliche Risse zu vergrössern und miteinander zu verbinden. Dieses Vorgehen hat bei früheren Projekten jedoch zu spürbaren Erdbeben und letztendlich auch zum Abbruch dieser Projekte geführt. Die Geologen der ETH Zürich erforschten deshalb, wie sich die geophysikalischen Eigenschaften des Gesteins unter Druck verändern. Sie setzten geklüftete Gesteinsproben im Labor hohen Scherspannungen aus und durchleuchteten sie gleichzeitig mit Röntgenstrahlen, um die Änderungen der Klufteigenschaften während der Bewegung zu beobachten. Solche Experimente erweiterten das Verständnis, wie sich die geophysikalischen Eigenschaften des Gesteins unter Druck verändern, und helfen, zukünftige Stimulation besser zu planen und durchzuführen.

Weiter haben im Rahmen dieses Projekts Geophysiker der Universität Lausanne untersucht, welche indirekten Messmethoden die Verteilung von Brüchen im Gestein um ein Bohrloch abbilden können. Dafür haben sie sogenannte Geophone in das 125-Meter-Bohrloch auf dem Grimselpass eingebaut. Danach wurde das Bohrloch durch kräftige Hammerschläge an der Erdoberfläche zum Vibrieren gebracht und die seismischen Geräusche über die Geophone aufgezeichnet. Die Computeranalyse dieser Daten ergab ein dreidimensionales Bild des geklüfteten Gesteins um das Bohrloch. Mit dieser Technik können in Zukunft Brüche im Gestein auch um ein tiefes Bohrloch besser lokalisiert werden. Diese Methode erlaubt die gezieltere Stimulation des Untergrundes durch Einleitung von Wasser in bestimmte Zonen eines Bohrloches. Man erhofft sich dadurch, zukünftig spürbare Erdbeben, wie sie bei den Geothermieprojekten in St. Gallen (2012) und Basel (2006) beobachtet wurden und mitverantwortlich für den Abbruch beider Projekte waren, zu minimieren. Das Verhindern solcher Erdbeben wird entscheidend für den Erfolg der Geothermie in Zukunft sein.

Kontakt und Team

Prof. Larryn W. Diamond

Institut für Geologie
Universität Bern
Baltzerstrasse 1+3
116
3012 Bern

+41 31 631 87 83
diamond@geo.unibe.ch

Klaus Holliger

Claudio Madonna

Larryn W. Diamond

Projektleiter

Marco Herwegh

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